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Peter’s Cutting – The Man behind the Fashion

Courtesy of Monsieur Jean Jaques Picart Paris
Bild: Courtesy of Monsieur Jean-Jacques Picart; Paris

Manchmal ist es irrsinnig schade, wenn ein wichtiges Buch nur in einer sehr kleinen Auflage erscheint. Man sich wünscht, dass alle es lesen könnten. Das gilt zumindest für das Buch „des vies et les modes“ von Jean-Jacques Picart und Frédéric Martin Bernard, weil es die Mode der letzten 40 Jahre zu einem Großteil bestimmt oder zumindest sehr stark geprägt hat. Es handelt allerdings nicht von der ersten Reihe einer Modenschau, sondern von dem Mann, der immer aus dem Hintergrund die Fäden zog und die beste französische Nase für Modetalente und ihre großen Karrieren hat: Jean-Jacques Picart.

Jean-Jacques Picart kennt man in Deutschland kaum und das liegt daran, dass er nie jemand war, der eine eigene Kollektion oder ein eigenes Modehaus betrieben hat und auch nie im streng genommenen Sinne kreativ war. Aber sein Talent besteht bis heute darin, Talent zu erkennen, Netzwerke zu bilden und die richtigen Wege einzuschlagen. Außerdem ist er ein brillanter Motivator und weiß, was Kreative nicht so gut können …
Etwas bekannt zu machen liegt ihm im Blut und zu einer Zeit, als nicht jeder einen Manager hatte, geschweige denn PR-Agenturen wie Pilze aus dem Boden schossen (die Modehäuser machten ihre Öffentlichkeitsarbeit allein im Haus) ging er Anfang der Siebziger Jahre das Wagnis ein, eine Agentur zu gründen, die man heute als Vorläufer der modernen PR-Agenturen ansehen kann.
Mit fünf Jahren ist Picart mit seinen Eltern nach Paris gekommen und war sofort von der Modeszene der Hauptstadt, der er bis heute treu geblieben ist, fasziniert. Sein erster genialer Coup war, dass er es mit einem Kleid seines ersten Kunden und dem damaligen Kult-Model Jean Shrimpton auf das Cover der Elle schaffte und noch eine ganze Strecke im Heft belegen konnte. Das brachte ihm Kunden und nebenher baute er so viele Verbindungen zu Redakteurinnen auf und man mochte ihn in Häusern wie Hermès. Als die ehemalige Redakteurin Claude Brouet dort die Kollektion verantwortete, war klar, dass sie immer wieder ihren Freund Picart fragte, wenn sie Assistenten suchte. Christian Lacroix verschlug es so zu Brouet und auch Tomas Meier, der heute für Bottega Veneta arbeitet …
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Inès de la Fressange, Jean-Jacques und Nicole Picart Bild: Georges Bully; Courtesy of Monsieur Jean-Jacques Picart; Paris

Picarts Spürsinn für Designer und Talente ließt sich wie ein „Who is Who“ der Designgeschichte der letzten vierzig Jahre und so verdanken ihm heutige Größen wie Jean Paul Gaultier und Thierry Mugler den Eintritt in die Pariser Prêt-à-porter Szene. Er erkannte früh das Talent von Chantal Thomas und Designer wie Jean-Charles de Castelbajac, Anne-Marie Beretta oder Guy Paulin gehörten zu seinen Zöglingen.
Früh erkannte er aber auch, dass Strömungen innerhalb der Mode nicht nur aus Paris kamen. So vermarktete er, lange vor einer Zeit, als es Konzerne gab, die Designer, auf die er in Mailand aufmerksam wurde, wie Enrico Coveri oder die Deutsche Jil Sander, die ihren internationalen Durchbruch Picart zu verdanken hat.
Später kümmerte sich Picart um den Belgier Dries van Noten und dem Österreicher Helmut Lang, die beide die Neunziger prägten. Dries van Noten erlebt bis heute seine Vervollkommnung und feiert mit seinen jetzigen Kollektionen triumphale Erfolge. Ganz zu schweigen von der Retrospektive, die gerade im Louvre stattgefunden hat …
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François Menuge, Jean-Jacques Picart, Jean Paul Gaultier; Bild: Courtesy of Monsieur Jean-Jacques Picart; Paris

Spricht man Jean-Jacques Picart darauf an, was bei diesen ganzen Projekten sein wichtigstes war, antwortet er ohne Umschweife: „Das schönste Abenteuer meines Lebens ist Christian Lacroix!“ Lacroix hatte, als er 1971 nach Paris kam in der Agentur von Picart gearbeitet und dort verschiedene Designer betreut. Picart vermittelte ihn 1978 zu Hermès, wo er am gleichen Tag wie Pascale Mussard, der Groß-Groß-Groß-Großtochter von Thierry Hermès, anfing. Dort lernte der studierte Museumskustos und Kostümhistoriker die Welt der Materialien und des Handwerks. Jean-Louis Dumas, der Jean-Jacques Picart sehr mochte, war sofort von ihm begeistert.
Picart fand es an der Zeit, als Jean de Moüy ihn 1982 fragte, ob er einen Designer wüsste, der die Couture des Hauses Jean Patou verjüngen und revolutionieren könnte, den Namen Christian Lacroix ins Spiel zu bringen. Als dann die ersten Kreationen von Lacroix für Patou 1983 in der Vogue erschienen, war es anders als in den traditionellen Häusern wie Dior oder Saint Laurent. Die Kollektion wirkte fast wie Theaterkostüme und selbst die Hüte wogten wie Schiffe auf den Frisuren der Models.
In der Zeit brachte Picart ein junges Mädchen mit zu Patou, das das berühmteste Model der Achtziger Jahre werden sollte: Inès de la Fressange, die bald darauf den ersten Exklusivvertrag bei Karl Lagerfeld für Chanel bekam. Noch ein Mädchen hatte es dem neuen Designer sehr angetan: Marie Seznec, die mit Anfang 20 von Natur aus graues Haar hatte. Sie blieb Christian Lacroix bis zur Schließung des Hauses 2009 zunächst als Model, später dann als Leiterin der Haute Couture treu.
Lacroix entwarf neue Kollektionen für Patou, die der Zeitströmung – der neuen Prachtentfaltung vom Anfang der Achtziger Jahre – entgegen kamen. Besonders amerikanische Millionärsgattinnen standen auf der Kundenliste von Patou. Zwei „Goldene Fingerhüte“ bekam der Newcomer für die beste Couture Kollektion innerhalb von zwei Jahren verliehen.
Bernard Arnault,J J Piccard Christian Lacroix 1986
Bernard Arnault, Jean-Jacques Picard, Christian Lacroix, 1986; Bild: Courtesy of Monsieur Jean-Jacques Picart; Paris

Picarts großer Coup bestand darin, dass er dem französischen Investor Bernard Arnault vorschlug, ein eigenes Modehaus zu begründen – just zu der Zeit, als Arnault gerade dabei war, die Grundsteine für den heute größten Luxuskonzern, LVMH (damals noch ‚Financière Agache‘), zu legen. Arnault wollte selbst etwas schaffen, denn er hatte meist Firmen oder Labels übernommen und nicht selbst begründet. Damals, 1986, war sein Markenportfolio noch sehr klein. Er hatte Vuitton gerade erst gekauft, seinen Stammsitz hatte er noch in der Avenue Marceau und nur wenige Filialen im Ausland.
Ende 1986 unterzeichneten Arnault, Picart und Lacroix dann den Vertrag und die Vogue begleitete die Einrichtung und die Entstehung des Hauses Lacroix von Anfang an parallel. Alles war revolutionär – von der Einrichtung des Hauses im Faubourg Saint-Honoré im barbarischen Stil von Bonetti & Garouste, bis zu der Tatsache, dass 1947 das letzte Couture Haus in Paris mit Christian Dior seine Pforten geöffnet hatte. Im Juli 1987 schlug die erste Couture Kollektion von Lacroix ein wie eine Bombe und nur ein Jahr später konstatierte das renommierte „Life Magazin“: „Jeder kennt den Namen Christian Lacroix!“
Wie die Geschichte weiterging, wissen wir alle und sicherlich hat ihm Monsieur Arnault bis heute nicht verziehen, dass Lacroix nie eine Gelddruck-Maschine wurde. Arnault übernahm fortan nur noch Firmen, und gründete keine mehr neu …
Thierry Mugler Jean Charles de Castelbajac Anne Marie Berett aChantal Thomas Enrico Cover
Thierry Mugler, Jean-Charles de Castelbajac, Anne-Marie Berett, Chantal Thomas, Enrico Cover; Bild: Courtesy of Monsieur Jean-Jacques Picart; Paris

Jean-Jacques Picart fördert hingegen bis heute Talente und begleitet Karrieren, so auch die von Christophe Lemaire, der bis vor Kurzem bei Hermès für die Damenkollektionen verantwortlich war und der sich jetzt auf sein eigenes Label konzentrieren möchte. Auch im fortgeschrittenen Alter kann es Jean-Jacques Picart nicht lassen, immer wieder die Zukunft und ihre Trends zu analysieren und die passenden Personen dafür aufzuspüren. Er ist ein glänzendes Beispiel der vielen Menschen, die nicht ständig im Licht der Fotografen stehen aber durch die die Mode zur Mode wird. Es sind die Weichensteller, die man oft erst auf den zweiten Blick erkennt und die deswegen meistens fast noch spannender sind. Der Mann hinter der Mode – wir stellen euch demnächst noch mehr solcher Menschen vor …

  • Manfred
    11. August 2014 at 14:50

    Guter Artikel, kannte Picard bisher nicht

  • monsieur_didier
    11. August 2014 at 15:27

    …ein großartiger Artikel…
    wie immer lesen sich Deine Texte wunderbar und ich mußte bei fast jedem Namen lächeln, weil sich kleine Geschichten und Gedankenerlebnisse damit verbinden lassen……!

  • monsieur_didier
    11. August 2014 at 15:40

    P.S.: …ich freue mich schon jetzt auf die nächsten Geschichten 🙂

  • Siegmar
    11. August 2014 at 17:53

    ganz wunderbarer Artikel 🙂