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Modeschätze – Chanel Barbie Candy Colour Collection 1995

Ein Modeschatz der besonderen Art tauchte neulich ganz zufällig beim Aufräumen meiner Archive wieder auf und inspirierte mich, an eine besondere Kollektion von Karl Lagerfeld für Chanel zu erinnern. Die Frühjahr-Sommer Kollektion 1995 für die Chanel Boutique Kollektion wurde im Oktober 1994 in den Zelten im Louvre präsentiert und man war schon ganz gespannt, was Karl Lagerfeld zeigen würde. Es war augenscheinlich, dass er, nachdem er in den 80er Jahren die Marke entstaubt hatte und die Signale und Ikonen des Hauses erneuerte, jetzt zur totalen Wandlung der Marke ansetzte.
Schon 1992 hatte er mit der Biker Kollektion das Ruder umgelegt und wurde wesentlich jünger und persiflierte Mademoiselles Stil auch stärker. Zudem begann er langsam aber sicher, natürlich auf raffinierte Art, Streetstyle in die Entwürfe einfließen zu lassen.

Die Welt hatte sich verändert, zwar stellten bei Chanel noch die Europäer, Amerikaner und die Japaner den größten Kundenanteil, jedoch wurde die Nachfrage aus den Ländern stärker, die bis 1989 praktisch von unserer Welt durch den Eisernen Vorhang ausgeschlossen waren. Heute kaum vorstellbar, wo das Luxusklientel überwiegend aus ehemals sowjetischen Staaten, China, Taiwan etc. kommt. Damals erschienen das erste Mal vermehrt Russen bei den Schauen.Auch der Geschmack begann sich unter dem Einfluss neuer Käufergruppen zu wandeln. Chanels Mode war nie als „sexy“ zu bezeichnen, auch das änderte Lagerfeld und hatte neben „Schiesser Unterhosen“, die unter knappen Tailleurs getragen wurden, immer mehr kleine Bustiers oder auch durchaus gewagt geschnittene Röcke gezeigt. Für Chanel interessierten sich plötzlich auch die Töchter der Kundinnen und es gelang Lagerfeld mit der Frühjahr-Sommer Kollektion 1995 der Durchbruch bei der jungen Zielgruppe.

Auch wenn heute die Modenschauen großartige Spektakel sind, wirken sie wohl organisierter und auch nicht mehr so wie ein Hexenkessel. Erst einmal waren die Räumlichkeiten in den Zelten, die im Cour Carrée aufgestellt wurden, viel kleiner und sie wirkten mit den Zuschauern und vor allem den wahnsinnig vielen Fotografen komplett überfüllt.
Jede Zeitschrift, heute würden wahrscheinlich die Controller in den Verlagen zusammenbrechen, schickte entweder seinen eigenen Fotografen oder beauftragte vor Ort einen Foto-Korrespondenten. Stunden vor der Schau wurde mit Tape ein winziges 20x20cm kleines Quadrat wie eine Art Grundstück abgeklebt, dem Standort des Fotografen während der Schau. Dann mussten aber noch die Assistenten und die Jungs, die die Filme ran schleppten, postiert werden. Ein Chaos sondergleichen und der Runway war stets wie ein gigantischer Tresen in einer Großraumdisco belagert. Heute, wo alle selbst mit Handy oder iPad filmen oder twittern, dass sie bei Chanel sitzen, sei gesagt, dass man als Besucher gar nicht fotografieren durfte, geschweige denn etwas veröffentlicht wurde, ohne Absprache. Außerdem waren auch alle damit beschäftigt, sich die einzelnen Durchgänge zu merken bzw. sich Notizen zu machen. Insgesamt war alles sehr laut und von einer gespannten Atmosphäre geprägt.

Als die Schau mit den Klängen von Amanda Lears „Follow me“ begann, kam dann die Überraschung: die Armada von Supermodels, Claudia Schiffer, Naomi Campbell, Nadège Dubospertus, Shalom Harlow, Marpessa Hennink, Veronica Webb, Nadja Auermann, Yasmin Ghauri, Carla Bruni und Linda Evangelista sahen aus, als wenn Barbie für den Bois de Boulogne bei Chanel eingekauft hatte.

Fußkettchen, winzige candyfarbene Jäckchen, kurze, bis oben geschlitzte Glockenröckchen, die einen Strasstanga sehen ließen und Plateau Stilettos. Eine Verjüngung in dieser Form hatte es bei Chanel noch nicht so direkt gegeben. Fast jedes Mädchen trug in der Schau eine Strassbrosche in bunten Bonbonfarben, die wie Talmi wirkte und für die Chanel aber einen extra Produzenten suchen musste, um genau diesen Effekt zu bekommen. Diese „billigen“ Strassbroschen wurden später der Renner und für damalige sagenhafte 1.500 DM rasend verkauft. Durchsichtige, CC applizierte Taschen mit breiten Ketten, kleine Lacktaschen in Beautycase- oder Herzform schienen direkt der Mattel Kult-Puppe aus dem rosa Haus gestohlen zu sein. Daraus zogen die Models Chanel Plastiktüten, die sie ins Publikum werfen – es sollte alles ein wenig ein cheap wirken. Genau eine dieser Tüten, die ich damals voller Stolz nach Hause trug, hat jetzt zur Wiederentdeckung dieser Kollektion geführt.

Strass übersäte Bikinis, gern auch zwei- oder dreifarbig, werden unter kleinen Jacken getragen. Karierte, pastellfarbene Kostüme wirken wie abgeschnittene 40er Jahre Tailleurs. Lack-Trenchcoats werden über knappe Kleider oder Bodystockings getragen … Die Chanel Frau geht 1995 sexy und aggressiv in Angriffsstellung. Kussmünder auf Kleidern und Taschen, Las-Vegas-Farben überall. Die gesamte Kollektion wirkte wie eine große Sommerparty.
Aber Lagerfeld schafft es immer wieder, den Bogen zu schlagen und ein Ass aus dem Ärmel zu ziehen: Vera Gottliebe Anna Gräfin von Lehndorff, genannt Veruschka! Diana Vreelands Kultmodel der 60er Jahre gab in einem schlichten Anzug und Ensembles aus Jersey so etwas wie den Übergang zu Chanels Stammklientel. Der zweite geniale Schachzug war die sehr gerne von Coco getragene Kombination einer weiten Leinenhose im Marlene-Stil, zu einem schwarzen Oberteil in Kombi mit einem Haarband und Kaskaden von Perlenketten darüber. Serge Lifar trägt Coco in diesem Look auf dem berühmten Foto von 1937 auf der Schulter in Roquebrune-Cap-Martin an der Côte d’Azur.
Genau dieses wird der Keylook für unzählige Kombinationen der Matrosenhose mit kleinen schwarzen Jäckchen, Pullovern, T-Shirts und Jerseys. Die besten Männermodels der Zeit wurden einzig und allein dafür gebucht, die Supermodels hereinzutragen. Im Gegensatz zu heute, wo wesentlich weniger Durchgänge zu sehen sind und die meisten Mädchen nur einmal laufen, mussten damals die Models für ihre hohen Gagen noch richtig arbeiten, denn alle Mädchen haben alle Durchgänge in den einzelnen Themen. Fotografen schreien ununterbrochen Namen, um einen Blick oder Posing zu bekommen – „Claudia!“ und „Linda!“ schallt es zwischen „Shalom!“ oder „Nadège!“.

Der Katalog, der zu dieser Kollektion erschien, ist mittlerweile ein richtiges Sammlerstück und zeigt genau den Spirit der Kollektion. Das Frühjahr 1995 ist eine der Key-Collections von Chanel, die eine wichtige Wandlung einleiteten.
Karl Lagerfeld präsentierte am Ende der Schau sogar die großartige Victoire de Castellane. De Castellane war seine damalige Accessoires Designerin und engste Mitarbeiterin (heute arbeitet sie bei Dior und ist dort für die Haute Joaillerie zuständig). Fast 20 Jahre später merkt man irgendwie, dass die Marke einen gewaltigen Sprung machte und der Siegeszug von Chanel war nicht mehr aufzuhalten.

In Vintage Auktionen sind die originellen Taschen und Accessoires bis heute ein Renner und es lohnt sich, die Schau noch einmal anzuschauen. Claudia Schiffer und Co. als Mädchen vom Bois de Boulogne – eine der Kult-Kollektionen von Karl Lagerfeld für Chanel.

  • Horst
    5. November 2013 at 11:27

    Die Schau ist wriklich großartig und die Videos ein ganz dolles Zeitdokument.

    (und Amamda Lear ist eh die Beste) 😀

  • Horst
    5. November 2013 at 11:32

    … und das lustige Durcheinander auf dem Laufsteg hat super viel Charme!

  • Daisydora
    5. November 2013 at 11:58

    Ein großes Vergnügen, das zu lesen und daran erinnert zu werden, wie Chanel von Karl Lagerfeld weiter entwickelt wurde … das darf ich hier gar nicht schreiben, sagt Horst, aber Du bist eben der B…e 🙂 … und dann kommt natürlich gleich Amanda Lear 😉

  • Siegmar
    5. November 2013 at 13:03

    ganz, ganz toll und ich mag ja Claudia Schiffer schon immer.

  • bernd
    6. November 2013 at 20:57

    1991-1995 waren die besten kollektionen.
    Bei Chanel und auch bei Versace!

    Ein Hoch auf P.K. und diesen tollen Artikel!
    DANKE!
    🙂

  • Die Woche auf Horstson | Horstson
    10. November 2013 at 11:27

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