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Louis Vuitton – Die Seele der Koffermacher

Würde man das Unternehmen von Louis Vuitton wie einen Körper sehen, wären sicherlich die Ateliers von Asnières, einem Vorort von Paris, dass Herz und die Seele des Handwerks. Hier werden die Sonderanfertigungen und vor allem die Koffer gemacht, die das Haus legendär machten und das Herzstück des Sortiments bilden. Schrank und Sekretär-Koffer, Schuh und Schmuckkoffer. Die berühmten Truhenkoffer und die festen Linien Alzer und Bisten.
Alle Gepäckstücke gehören zur Gruppe des sogenannten Hart-Gepäcks und sind in einmaliger Handwerklichkeit Schritt für Schritt von langjährig ausgebildeten und erfahrenen Handwerkern erstellt.

Kommt man in diese an die Werkstatt des Weihnachtsmannes erinnernde Welt, fallen einem zunächst die freundlichen und von ihrer Arbeit beseelten Menschen auf, die nicht nur vor Stolz auf ihr Unternehmen, sondern auch auf ihr Handwerk alle Arbeitskittel tragen, die mit dem Louis Vuitton Monogramm verziert sind und darunter eine Jahreszahl eingestickt haben.
Es ist das Jahr ihres Eintritts und wie in den meisten Couture Häusern sind die meisten schon seit dreißig oder mehr Jahren “ Employes“ des Hauses. Eine große Treue und die damit verbundene Erfahrung machen den großen Schatz dieser Werkstätten aus, denn nur dadurch wird die Perfektion und die gleichbleibende hohe Qualität gewährleistet.

Alle Koffer basieren auf solider Schreiner-Arbeit und so werden nach wie vor Pappelholz und exotische Leichthölzer, ihnen ist die Ansiedlung der Werkstätten in diesem Stadtteil am Seine-Bogen zu verdanken, verarbeitet. Früher kamen sie per Schiff die Seine von den Häfen des Atlantiks hoch – heute per Spedition aus aller Welt.
Zunächst werden erst einmal Rahmen, Böden, Deckel, die Einsätze und Schubladen sowie Auszüge und Türen aus Holz gefertigt. Schon jetzt sieht man die eigentliche Grundform und auf den Konstruktions-Zeichnungen werden, wenn es sich nicht um Jahrzehnte bewährte Modelle handelt ,die Abwandlungen, ganz nach den Wünschen des Kunden angezeigt, so das schon hier die spätere Funktion des Koffers festgelegt wird.

Nun denkt man sofort an große, schwere Reise- und Überseekoffer, aber in den Ateliers werden auch viele kleine feste Koffer gebaut. Kleine Trouvaillen, die zum Transport von Schmuck, kleinen Kunstwerken, seltenen Büchern oder besonderen Sammlerstücken bestellt werden. Diese sind neben den grandiosen Meister-Koffern, wie dem Schreibschrank Koffer „Stokowski“, ein für den legendären Dirigenten entworfenem Reisesekretär, oder dem Schuhkoffer für 36 Paar Damenschuhe, ursprünglich für die Schauspielerin Lily Pons erdacht – alles natürlich „très charmant“.
Wir hatten das Glück das bei unserem Besuch in Asnières gerade viele kleine Koffer gebaut wurden und zeigen daran den handwerklichen Werdegang der Louis Vuitton Urstücke.
Ist der Korpusbau abgeschlossen gehen die Werkstücke an die Arbeitsplätze von Spezial Handwerkern, die das Täschnern langjährig in ihrem Erfahrungsschatz haben.
Neben dem beliebten plastifiziertem Leinen, dem sogenannten Canvas in Monogramm oder Damier, seit 1960 bestehend aus reißfestem Baumwoll-Gewebe, das in imprägnierendem Kunststoff getränkt wird, werden auch zum Beispiel für die in den Tropen verwendeten Koffern unter anderem Zinkblech oder verschiedene Lederarten zum Bespannen der Korpen und der Einzelteile verwendet.

Früher wurde in einem aufwendigen Verfahren der Baumwollstoff mit aus Mehl und Wasser bestehenden Substanzen imprägniert, was natürlich nicht so haltbar war. Berühmt wurde Vuitton zunächst mit dem Trianon Grey, Vuittonite und braun-gestreiften Canvas, bevor sich das Haus Ende des 19. Jahrhunderts sein berühmtes Monogramm Canvas patentieren ließ.
Aber auch Sonder-Bespannungen werden hier verwirklicht wie zum Beispiel für einen britischen Künstler, der sich, inspiriert von den Deyrolle-Schmetterlingen , auf schwarzem Grund exotische Schmetterlings-Schwärme auf seine Koffer malen ließ.

Zur besseren Stabilisierung und um die Kanten stoßfest zu machen, werden alle äußeren und inneren Kanten mit der sogenannten „Loizine“, wiederum eine Vuitton Erfindung, mit feinsten kleinen Nägeln eingefasst. Loizine ist eine Leiste aus einem biegsamen Material, die zusätzlich durch das Prägen mit vielen kleinen Monogrammen verfestigt wird und mit Polster- oder Koffernägeln in Messing dicke Messingecken als Stoßschutz für die Koffer bekommt. Nun sieht der Koffer schon aus wie ein kleiner Tresor und die Metallteile haben zum Schutz vor dem Verkratzen noch einen Überzug, der das Metall zunächst noch bläulich schimmern lässt:

Als nächster Arbeitsschritt kommen die tief in den Korpus verankerten Scharniere und Gelenke aus Messing und das patentierte Spezial-Schloss.
Der Sohn von Louis Vuitton Georges erfand ein Schließsystem, das ein fünffaches Verschließen innerhalb eines Schlosses mit nur einem Schlüssel möglich machte. Alle Schlossnummern sind in großen Büchern verzeichnet und bestellt man im Laufe seines Lebens immer wieder Koffer, ist es möglich alle Schlösser und die Schlüssel auf das gleiche System abzustellen.

Die Koffergriffe bzw. auch die Haltegriffe für die Truhen und Schrankkoffer werden in alter Sattlertradition an einem separaten Arbeitsplatz aus vielen Schichten von Naturleder, dem sogenannten “ Vache Naturel“, geschichtet und mit Sattlerstichen genäht. Ihre Verankerungen werden auch, genau wie die Koffernägel und fast alle Zutaten vor Ort in der Manufaktur hergestellt. Allein die Nägel mit den kleinen Vuitton Monogrammen sind schon eine Sünde Wert.
Überhaupt – unterhält man sich mit den einzelnen Hand- werkern ist der Stolz und die Individualität der Arbeitsprozesse beeindruckend. So versucht jeder Handwerker auf seinem Gebiet immer perfekter zu werden und viele Ideen und Verbesserungen kommen aus den Mitarbeitern der Ateliers heraus. Koffermacher bei Vuitton in Asnières ist kein Job, sondern Lebensinhalt und Berufung – das spürt man, wenn man ein Ohr und ein Auge dafür hat, hier ganz schnell.

Nachdem die Werkstücke nun fast fertig sind, werden sie auf Herz und Nieren geprüft. Funktion, Qualität, Abgleich mit Zeichnungen und Kundenwünschen und das Polieren der Metallteile stehen vor dem Abschluss – dem Verpacken in weiche, große Hüllen und Säcke auf dem Programm. Von Asnières geht dann die Reise zu einem der großen Vuitton-Stores in aller Welt, die eine Abteilung für „Commande Special“ haben. Dort angekommen wird sein zukünftiger Besitzer das Teil sicherlich glücklich in die Arme schließen. Aber es ist nicht nur ein Koffer oder ein besonderes Stück, es ist immer auch ein Stück unwiederbringlicher Handwerkskunst, dem sogenannten “ Patrimoine“ der Menschen die es gemacht haben. Hat man diese Handwerker einmal gesehen, sieht man die Produkte, die in den meisten Fällen sogar ihre Schöpfer und Kunden überleben, mit ganz anderen Augen.

Mir hat es ein kleiner Koffer besonders angetan, den sich eine Handwerkerin an ihrem Arbeitsplatz für ihr Brillenputztuch und kleine Näschereien gebaut hat. Ein Vuitton Koffer en miniature, der aber genau die Eigenschaften hat wie die großen. Aber den gibt’s nicht zu kaufen und das ist auch gut so, denn der ist den Handwerkern vorbehalten – schließlich sind sie die Zauberer die alles erschaffen.
Asnières ist das Herz von Vuitton und bei aller Größe der Firma, bei Prêt-à-Porter, Accessoires, Schmuck etc. ist es der Kern und das Handwerk, die die Wurzeln der Marke ausmachen. Ohne diese Wurzeln würde es alles nicht geben und genau das ist auch das, was noch immer den Zauber der Marke ausmacht.
Es gibt kein besseres haltbareres Gepäck als Vuitton – mich begleitet meins so lange ich in meinem Leben reise und einmal angeschafft, braucht man nie was Neues.
Ich muss jetzt bei jedem Packen an die fröhlichen Handwerker von Asnières denken und höre das Hämmern, wenn die wunderbaren kleinen Messingnägel auf das Pappelholz treffen – und schon geht das Einpacken gleich viel besser voran.

Alle Bilder: Horstson

  • Maria
    20. September 2012 at 11:53

    Die Koffer, ja, aber die Massen an Taschen kann ich mir dort nicht vorstellen 😉
    Danke für den Einblick!

  • Volker
    20. September 2012 at 15:49

    Großartiger Einblick in die Handwerkskunst! Danke dafür!

  • Siegmar
    20. September 2012 at 16:32

    ich mag es sehr hinter die Kulissen zu sehen, besonders wenn es sich um die Handwerkskunst handelt, sehr schöner Artikel.

  • thomas
    20. September 2012 at 17:03

    Schoner Artikel , hätte euch gerne begleitet.

  • jürgen
    20. September 2012 at 20:51

    spannend! … den minikoffer finde ich auch besonders schön

  • peter
    21. September 2012 at 17:00

    tausend dank für eure anerkennung!!!aber über schöne dinge schreiben fällt ja auch leicht weils spaß macht und handwerker können gar nicht genug gewürdigt werden!!!sie sind meine helden!!!!

  • Renate
    22. September 2012 at 11:11

    Lieber Peter, ein wenig beneide ich euch um das Erlebnis. Dank das du uns durch diesen wundervollen Bericht dran teilhaben lässt!

  • Horstson » Blog Archiv » Die Woche auf Horstson
    23. September 2012 at 10:00

    […] 1) Einen Blick in die Louis Vuitton Ateliers in Asnières konntet Ihr am Donnerstag werfen. Peter berichtete begeistert von seinem Besuch des Hauses. 2) Am Donnerstag habe ich mal wieder versucht ein mehr oder weniger extremes Kleidungsstück […]