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Gibt es ein Remake für Couture Legende Paul Poiret?

Paul Poiret-designs
Modezeichnung für die Zeitschrift „La Gazette du Bon Ton“; 1908. Illustriert von Paul Iribe; CC BY-SA 2.0

Ein Mann, den man als Karl Lagerfeld des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts bezeichnen kann, war Paul Poiret. Alles, was die großen Konzerne heute betreiben, erkannte der Visionär bereits in seiner Zeit. Er war vor dem Ersten Weltkrieg der Star unter den Couturiers und hatte einen Ruf, der ihn bis in die zwanziger Jahre folgte.
Dass wir in Modehäuser gehen können, die Accessoires und Parfums anbieten, hat Paul Poiret bereits in seinem ersten Salon mit einer Boutique im Erdgeschoss begründet. Er legte damit den Grundstein, wie Modehäuser heute noch funktionieren. Poiret machte nicht nur Werbung und veranstaltete Feste, die mit den heutigen Defilees im Grand Palais vergleichbar wären, sondern organisierte auch Tourneen der Schauen in Amerika, Südamerika oder Europa, um weltweit bekannt zu werden.

Paul Poiret nahm an Weltausstellungen teil und baute – zu seiner Zeit geradezu visionär – ein Haus mit dem Architekten Robert Mallet-Stevens, das in seiner Zeit wie vom Mars gefallen wirkte. Seine eigene Parfumfabrik „Rosine“ brachte einen Duft nach dem anderen auf die Welt und was heute Ralph Lauren mit seinen Home Collections ist, war Poiret mit der École Martine.
Alles, was das Leben berührte und ausmachte, wurde von Poiret designt. Er selbst stilisierte sich zum Dandy, der mit seinem Hispaniola durch Paris fuhr. Poiret war eben seiner Zeit voraus … Das Bild, welches wir für den Artikel ausgewählt haben, stammt von dem Illustrator Paul Iribe, dem späteren Geliebten von Coco Chanel. Iribe hat es für die Modezeitung „La Gazette du Bon Ton“ gezeichnet, und es zeigt eine Frau in einem für Poiret typischen Kleid. Der Designer befreite die Kleider von den damals üblichen Korsetts – eine Stilistik, die wie eine Bomben im Fin de Siecle einschlug und für die die Reichen und Schönen ihrer Zeit Schlange standen, um Termine beim Meister und seinem Schneider Christian zu bekommen.

Eines konnte der Visionär allerdings nicht: rechnen. Paul Poirets Unternehmen, das damals schon, wie heute PRADA oder Louis Vuitton, Künstler förderte, war ständig von finanziellen Krisen und häufigen wirtschaftlichen Breakdowns gekennzeichnet. Schließlich verschwand das Haus Poiret Ende der zwanziger Jahre von der Bildfläche, nachdem Paul Poiret schon lange nicht mehr der Eigentümer des Unternehmens war. Seine Muse und Frau, Denise Poiret, für die er alles entwarf und die lange zu ihm gehalten hat, trennte sich 1929 von ihm und lebte bis ins hohe Alter dafür, das Werk des Mannes, den sie geliebt hatte, zu dokumentieren. Ihre Kleider sind heute im Palais Galliera in Paris aufbewahrt und tauchen ab und zu bei Vintage Auktionen auf. Außer einer kleinen Parfumkollektion „Rosine“ wurden die Produkte seit der Schließung des Hauses 1928 nie wieder unter der Marke „Paul Poiret“ verkauft.

Paul Poiret verstarb 1944 im Alter von 65 Jahren an der Côte d’Azur.

Dass man Traditionshäuser oder Marken wieder aufleben lässt und sie auf unsere heutige Zeit überträgt, ist ein logischer Gedanke. Schon Karl Lagerfeld verhalf dem Haus Chanel zum Comeback. Tom Ford machte es ihm in den neunziger Jahren mit Gucci nach. Schwer wird es allerdings, wenn die Marken Jahrzehnte lang nicht mehr existieren oder an eine bestimmte Epoche verknüpft waren. Dann ist das Risiko höher, dass es entweder scheitert, wie jüngst an dem Beispiel von Madeleine Vionnet passiert oder es ist sehr schwer, wie man zum aktuell bei Schiaparelli beobachten kann. Wenn es keine Brücke und Assoziationen gibt und – Verzeihung! – alle gestorben sind, die sich überhaupt an das Haus erinnern können, wird es zum Kraftakt, Emotionen oder Bindungen zu der Marke aufzubauen. Der französische Luxuskonzern LVMH versucht das gerade mit der Gepäck- und Taschenmarke „Moynat“. Moynat verfügt zwar über eine brillante Tradition (gegründet 1849), allerdings war die Marke jahrzehntelang in einer Art Dornröschenschlaf …

Davon scheinbar überhaupt nicht abschrecken lassen sich die Markenexperten des südkoreanischen Konglomerats Shinsegae, die jetzt, nachdem die Rechte seit einem Jahr zum Verkauf standen zugeschlagen haben. Shinsegae kaufte die Markenrechte, samt der Archivnutzung. Sie wollen die Marke behutsam für einen modernen Konsumenten aufbauen und sehen ihre Chance, bevor sie mit Mode und Accessoires beginnen, im Kosmetik- und Parfumsektor. Diese Produktlinie hatte Poiret zwar von Anfang an zwar in seinen Läden, es aber unter dem Namen „Rosine“ völlig eigenständig in der Nähe von Paris produziert. Die Düfte waren seinen Kollektionen angepasst: das orientalische „Le Minarett“ oder sein berühmtester „La Rose de Rosine“, der an den Rosengarten der Kaiserin Josephine erinnern sollte.

Die Firma soll wieder mit der Kreation und ihrem Sitz, sowie dem Vertrieb in Paris angesiedelt werden und von da aus operieren. Der europäische Charakter ist für die Asiaten wichtig und wird betont, denn auch wenn Poiret exotische Kollektionen schuf, sah er es immer mit den Augen eines Franzosen. Wie und wann gestartet wird, davon lassen wir uns überraschen und werden sicherlich darüber berichten. Leicht wird es nicht, Poiret-Anhängerinnen zu gewinnen. Bei den meisten Kunden, die heute Luxusprodukte kaufen, dürfte die letzte, die Poiret-Kreationen getragen hat, die Ur-Großmutter gewesen sein.

Die Villa Poiret von Robert Mallet-Stevens, 40 Kilometer entfernt von Paris, im Yvelines gelegen, können die Südkoreaner auch erwerben. Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude steht gerade zum Verkauf. Es ist eines der wegweisenden Bauten der klassischen Moderne und vielleicht kommt ihnen dort die Vision eines modernen Poiret Stils …

  • Monsieur_Didier
    12. August 2015 at 11:09

    …liest und hört sich sehr toll an, ich bin da aber eher skeptisch…
    schon zu viele wollten durch den Erwerb das altbekannten Nemen Geschäfte und Profit machen…
    (siehe Schiaparelli), aber man kann einen Namen, der nur noch eine Hülle ist und den heute kaum noch jemand kennt, nicht einfach wieder „zum Leben erwecken“…
    manchmal gelingt das, siehe Chanel und Lagerfeld, aber meistens eher nicht…

  • Monsieur_Didier
    12. August 2015 at 11:13

    …die Villa Poiret sieht wirklich fantastisch aus…
    es gibt tolle Bilder, die man googlen kann…!

  • thomash
    12. August 2015 at 14:12

    na, mit kempe weiß ja immerhin noch einer außer den neuen eigentümern etwas mit “poiret“ anzufangen : -) vielleicht sollte shinsegae ihn als berater mit ins boot holen fürs markenverständnis und dem enzyklopädischen wissen über couture.

  • Siegmar
    12. August 2015 at 14:21

    @ thomash, stimme ich dir zu, ist sicher ein guter Gedanke und dem Unternehmen shinsegae zu wünschen.

    q Peter, wie immer wunderbar zu lesen, leider denke ich auch, dass es nicht zum Erfolg führt. die Villa ist sehr toll und erinnert mich sehr starkan die Okura-Villa in Tokio, von Bruno Taut.

  • Tim
    12. August 2015 at 15:35

    Es wird vermutlich darauf hinauslaufen dass es darum geht hauptächlich teuer zu sein 😉

  • Tim
    12. August 2015 at 15:36

    Ich kannte übrigens Poiret nicht.