Interview

Eugen Merher, der Macher von „Calvin Klein – Love“, im Interview

(Eugen Mehrer „Calvin Klein – Love“; Behind the Scenes; Bild: Franziska Kabutke)

Eugen Merher hat erneut einen sehr sehenswerten „Spec Spot“, also einen Film, der auf gut Glück („on spec“) dem potenziellen Kunden präsentiert wird, in der Hoffnung, dass dieser drauf anspringt, gedreht.
Zur Erinnerung: Der 27-jährige Student der Filmakademie Baden-Württemberg wurde Ende 2016 mit dem vermeintlichen Adidas-Spot „Break Free“ bekannt, den der ein oder andere Leser sicherlich noch kennen wird – bei über 14 Millionen Aufrufen würde mich alles andere auch verwundern. Doch schaut einfach selbst nochmal den Spot an – es lohnt …

Eugen Merher – „Break Free“

Nach „Break Free“ drehte Eugen Merher nun „Calvin Klein – Love“. In dem 70-sekündigen Spot geht es um zwei Internatsschüler, die ihre Zuneigung zueinander finden. Im Fokus steht „Look below the Surface“, also den „Blick unter die Oberfläche“, so zumindest der Claim des Werkes.
Wir trafen Eugen Merher zum Interview.

Horstson: Kannst Du uns und unseren Lesern die Story des Filmes bzw. den Bezug zu Calvin Klein erklären?
Eugen Merher: Zwei Menschen verlieben sich in der denkbar unwahrscheinlichsten Situation: Während des Kampfes gegeneinander. Wir wollen den Moment erzählen, wie aus einem brutalen Kampf zwischen zwei Internatsschülern ein zärtlicher Kuss entsteht. Während des Kampfes fallen die Hüllen, bis die beiden zum Schluss in Unterwäsche voreinander sitzen. Die Unterwäsche von Calvin Klein symbolisiert dabei das, was von Anfang an unter der Oberfläche lauert: Die wahren Gefühle der zwei Jungs füreinander.
Wir wollen, dass das Tragen von Calvin Klein-Unterwäsche Menschen dazu ermutigt, die Gefühle, die sie unter der Oberfläche verstecken, zu zeigen. Ob es die wahre Sexualität ist oder einfach nur eine nie ausgesprochene Liebeserklärung, ist dabei zweitrangig.

Wie ist die Idee zur Entstehung von „Calvin Klein – Love“ entstanden?
Homosexualität als politisches Thema war für uns erst einmal zweitrangig, da es von Anfang an einfach nur um eine Liebeserklärung zwischen zwei Menschen ging. Dass es zwei Jungs geworden sind, ist sozusagen “nur” ein dramaturgisches Mittel gewesen, um die Überwindung, sich zu berühren, zu steigern. An dieser Stelle wollten wir die Geschichte ursprünglich in einem Mädcheninternat spielen lassen. Doch dann haben wir uns gefragt, warum. Wir haben gemerkt, dass wir im Alltag die Berührung zwischen zwei Männern immer als befremdlicher wahrnehmen, als die Berührung zwischen zwei Frauen. Selbst aus der Sicht von heterosexuellen Frauen haben wir Ähnliches gehört. Deshalb hatten wir uns zum Ziel gesetzt, einen Film zu machen, bei dem selbst homophobe oder versteckt homophobe Menschen den Kuss zwischen zwei Jungs nicht als befremdlich wahrnehmen. Hoffentlich ist das gelungen.

Hast Du den Film Calvin Klein angeboten bzw. hat sich in irgendeiner Form gemeldet haben?
Wir haben das Konzept Calvin Klein angeboten, weil wir noch auf Finanzierungssuche waren, aber sie haben es abgelehnt. Den Film haben sie aber – theoretisch – noch nicht gesehen.

Warum ausgerechnet Calvin Klein – wäre auch z.B. Unternehmen wie Mey, Schiesser etc. möglich gewesen?
Theoretisch ja, aber Calvin Klein war für uns von Anfang an eine international bekannte Marke, bei welcher wir uns wünschen, dass sie so ein Statement vertritt.

Du benutzt, wie auch beim Adidas-Spot das Markenzeichen – hast Du Bedenken wegen einer Abmahnung?
Nein, es ist ja im Endeffekt kostenlose Werbung für die Marke, und ich habe noch nie gehört, dass ein Filmstudent wegen so etwas abgemahnt wurde. Außerdem müssen wir in unsere Filme immer das Logo unserer Filmhochschule als Wasserzeichen einfügen, dadurch ist das ganze rechtlich einigermaßen abgesichert.

Wie waren damals die Reaktionen von Adidas?
Es waren relativ wenige Reaktionen. Adidas hatte nicht als Ganzes reagiert, sondern es waren eher einzelne Abteilungen, die den Film cool fanden und uns daraufhin kontaktierten. Aber es hat sich nichts daraus ergeben.

Gab es im Nachgang seitens Adidas ein Jobangebot?
Ja, es gab einige Jobangebote von Adidas, aber nichts in dem Sinne Relevantes. Es gab zum Beispiel das Angebot, im Recruiting zu arbeiten, wo man Videos dreht, um neue Mitarbeiter zu bewerben. Als freier Regisseur gibt es aber nicht wirklich so einen Begriff wie “Jobangebot”. Man wird von Projekt zu Projekt “angestellt”, bzw. gebucht. Als Regisseur ist man im Endeffekt wie eine Marke, die für etwas steht und die man pflegen muss. Denn nur dann kann man die Aufträge bekommen, die man auch wirklich will. In einem Unternehmen ist man oft eher eine Art Allrounder / V-Jay, der Kamera, Ton und Schnitt selbst macht. Das hat relativ wenig mit der Arbeit eines freien Regisseurs in der Werbe- oder Spielfilmwelt zu tun, wo man ein Team um sich hat und die Aufgaben professionell aufgeteilt sind.

Hast Du schon weitere Projekte im Hinterkopf?
Wir haben gerade einen Social Spot zum Thema Blutkrebs abgedreht, in dem es um einen 12-jährigen schwarzen Jungen geht, der zum Vampir wird. Den haben wir hoffentlich bis Weihnachten fertig. Jetzt möchte ich noch einen Spec Spot drehen und einen Kurzfilm als Abschlussfilm.

Was fehlt Werbung Deiner Meinung nach?
Es gibt ja das Klischee, dass Werbung immer sehr glatt sei und die Welt völlig verzerrt darstellt, um Gewinne einzuheimsen. Das stimmt so nicht ganz. Denn Werbung geht schon einen sehr guten Weg, den aber die breite Masse noch nicht wirklich wahrnimmt. Das Problem ist, dass die coolen und gewagten Werbespots nur sehr speziellen Zielgruppen gezeigt werden, um die Masse nicht abzuschrecken. Oder sie werden auf Wunsch des Kunden so umgeschnitten, dass sie weniger anecken. Die Allgemeinheit kennt gefühlt immer nur die trashigen TV-Werbespots, die aber kein Regisseur in sein Portfolio aufnehmen würde. Wenn man mal die Portfolios von bekannten Werberegisseuren wie Salomon Ligthelm, Jonathan Glazer, Spike Jones usw. anschaut, sieht man, wie viel unglaublich gute Werbung es bereits gibt. Ich wünsche mir, dass sich Marken mehr trauen, die gewagten Werbungen auch an die breite Masse heranzulassen, weil ich glaube, dass man diese den Menschen ohne Probleme zutrauen kann.

Vielen Dank für das Interview!

Eugen Merher – „Calvin Klein – Love“

„Calvin Klein – Love“ – Crew
Idea – Eugen Merher & Philip Chrobot
Director – Eugen Merher
Claim – Kim Leonie Scheu
Producer – Philip Chrobot
Dop – Mortimer Hochberg
Casting – Gemma Sykes
Editor – Elena Schmidt
Production Design – Anika Klatt
Music Composition – Alexander Wolf David
Sound Design – Robin Harff
Costume Designer – Hanne Konrad
Make-up / SFX – Tim Scheidig
VFX – Mario Bertsch & ACHT FRANKFURT GmbH
Stunt Coordinator – Konstantin Widjaja a.k.a. Lee Huang