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Ein Münchner in New York: Tommi Parzinger – Ein deutsches Designschicksal im 20.Jahrhundert

Auf Tommi Parzinger war ich in den letzten Jahren immer mal wieder gestoßen, weil er gerne mit meinem Lieblingsmöbeldesigner Jean-Michel Frank in einem Atemzug genannt wird. Als ich vor geraumer Zeit die Archive der Königlichen Porzellan Manufaktur in Berlin durchstöberte fielen mir einige Stücke von Tommi in die Hände, die er zwischen 1924 und 1930 für die KPM gestaltet hatte. Nun wurde ich neugierig und ihr wisst (Horstson berichtete): Wir haben gemeinsam mit der KPM die beiden wunderbaren Hunde Mr. Asta und den Scotch Terrier wieder aufgelegt. Viele seiner Entwürfe, wie die Stapelascher etc. sind noch heute richtungsweisend und werden in den nächsten Jahren peu à peu bei den Designessentials der KPM wieder aufgelegt. So – nun begann ich mich für Tommis Werdegang zu interessieren….
Wer war der Mann von dem ich nur ein Photo kannte, auf dem er ein bisschen melancholisch aber sehr interessiert ausschaute???
Zuerst war es gar nicht so einfach, etwas heraus zu bekommen, doch nachdem die erste Quelle aufgestoßen wurde, sprudelte es mir so zu, wie es immer ist, wenn man sich ganz feste in eine Welt wünscht und in sie eintaucht:

Tommi Parzinger wurde 1903 als deutscher Jude in München geboren, sein Vater war Bildhauer und Tommi dadurch kreativ-vorbelastet. Er begann bei dem damals berühmtesten Architekten Richard Riemerschmid zu studieren (k&k hat vor zwei Jahren Stühle gemeinsam mit den deutschen Werkstätten Hellerau von Riemerschmid wieder aufgelegt) und fertigte freie Entwürfe für verschiedene Firmen und wunderschöne Plakate an. Er trat der damals avantgardistischen Münchner Künstlergruppe „Die Sechs“ bei. Parzingers Stil wurde zwar auch stark durch die eben entstandene Bauhausbewegung geprägt, aber sein Stil war dekorative Neue Sachlichkeit – so fühlte er sich den Franzosen Ruhlman, Frank und auch Eugene Printz verbunden, die farbiger und dekorativer-verspielter arbeiteten.
Anfang der dreißiger Jahre verdunkelte sich die Szene in Deutschland und die braune Übermacht wurde immer stärker. Das Bauhaus wurde geschlossen und Stil und Kreativität zu Gunsten von „Volkstümelei“ und Kleinbürgergeschmack geopfert, keine Zukunftsaussichten für Parzinger, der zudem auch durch seine Herkunft eh Berufsverbot bekommen würde. Nachdem Tommi 1932 auf einer Reise die USA erkundet hatte, und immer mehr seiner Weggefährten auswanderten, übersiedelte er nach New York und fing in einem der schönsten Läden der Stadt für Möbel und Interieur in der Entwurfsabteilung an: Rena Rosenthals Madison Avenue Shop. Tommi entwarf Lampen, Tische, Glas und Kristallgegenstände, die Verkaufsschlager wurden und total modern waren. Nachdem er die Appartements von Gary Grant und Barbara Stanwyk eingerichtet hatte, waren House and Garden und Harper’s Bazaar total auf seiner Seite und zeigten immer mehr Kreationen von Tommi. So wurde der kleine jüdische Designer aus Deutschland zum Star der Einrichterszene und eröffnete eine zu der Zeit super avantgardistischen Showroom und Laden nur einige Schritte entfernt von seinem alten Arbeitsplatz.
Tommis Kreationen wurden zu international angesagten Designitems wie in den achtziger Jahren zum Beispiel auch die Sachen von Bonetti und Garouste oder Ettore Sottsass. 1981 starb Tommi in New York. Ende der neunziger Jahre wurden seine Sachen wiederentdeckt und Ausstellungen gemacht, bei den Auktioshäusern stiegen seine Möbe ins unermessliche und wenn heute eine Kommode unter den Hammer kommt werden häufig 100.000 Dollar und mehr erzielt.
Sein purer und doch so raffiniert verspielter Mid-Century-Style ist total zeitlos und ich würde mir nur ein einziges teil für meine Wohnung wünschen. Aber naja – ein bisschen teuer -aber schön wenn man Träume hat, Träume wie Tommi Parzinger – der so begabt Deutschland verloren ging und sein Glück in Amerika fand.

  • Horst
    19. Oktober 2010 at 17:33

    Ein Königreich für diese Kommode!!!

  • Daisydora
    19. Oktober 2010 at 21:03

    Mit dir ist das hier wie im Feuilleton der FAZ oder der ZEIT…. sehr schön finde ich das! Du schreibst übrigens wie Thomas Bernhard, sagt die FAZ in ichschreibewie … schnief, das sollte mir mal passieren 🙂