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Das prägt

Ab und zu wird man an seine Vergangenheit erinnert. Das kommt meistens dann, wenn man gar nicht damit rechnet und manchmal tut es auch gar nicht gut. Diesmal tat es gut. Blomquist hatte vor ein paar Tagen das Lied der großartigen Kim Ann Foxman gepostet, und angedeutet, dass das Lied ein wenig so wie früher ist. Spannend für mich war, dass er auch eine Verzehrkarte des FRONTs dazugestellt hat. Im Front habe ich mir meine Nächte auch um die Ohren geschlagen. Jedes Wochenende bin ich mit meinem besten Freund Christian vom Land in die Großstadt gefahren. Ich hatte einen Führerschein, er nicht. Die Fahrerfrage war also geklärt, wer abends den ein oder anderen Drink zuviel trinken durfte auch: Christian. Somit hatte ich Zeit, wie ein schüchternes Eichhörnchen im regnerischen April wahlweise auf der Erhöhung neben dem DJ-Pult zu stehen und dem Geschehen zuzuschauen, oder ich habe mich gleich vor die Fernseherwand gesetzt und mit großen Augen und roten Ohren dem nicht jugendfreien Geflimmer auf der Mattscheibe zugeschaut. Und wenn ich da so saß, und mir die Gäste des FRONTS anschaute, war mir klar, dass man sich nicht so ernst in seinem Styling nehmen darf, aber woher kamen die Ideen? In den Modemagazinen wurde zu der Zeit ein ganz anderer Look als modern angepriesen, als ich ihn am Wochenende zu sehen bekam. Auch gab es keine Blogs, dass hatte aber auch damit zu tun, dass es noch kein Internet gab.

Durch Zufall hatte ich irgendwann eine Zeitung in den Händen gehalten: Es ging um die Clubkids, die Michael Alig um sich gruppiert hatte. Alig war ein Junge vom Land, der in N.Y. berühmt werden wollte. Er wurde berühmt: er hatte einen ganz eigenen Stil, der im Nachhinein betrachtet durch eine Mischung aus Drogen und Größenwahn entstand. Und er wurde berüchtigt: Seine Partyreihe Disco2000 setzte Maßstäbe, die Kostümierungen wurden wilder, die Mottos auch: Gerne wurden morbide Themen gewählt, zb. Bloodbath und die halbe Partyszene Manhattens kippte sich Kunstblut über den Kopf, um Einlass ins Limelight zu bekommen.
Diese Einflüsse schwappten auch nach Deutschland, denn Exoten im Nachtleben in Hamburg gab es auch: Martin trug 70cm Plateaus, es wurden Corsagen um die Hüften gebunden, Masken getragen, das MakeUp wurde aufwändiger: Man ließ sich vorher schminken oder fummelte sich die falschen Wimpern selbst an die Augen. Die Szene verlagerte sich nach und nach auf den Kiez. Ein neuer Club musste her, im FRONT hingen mittlerweile die falschen Leute rum, man ging jetzt ins S.L.A.M., was die Kurzform von Sex Love and Motion war. Der Name war Programm. Überall. Die Schlange vorm S.L.A.M. wurde künstlich lang gehalten, dass heisst sie ging quer über den Bürgersteig der Reeperbahn und die Touristen fotografierten wie wild einzelne Gestalten und eigentlich war vor dem S.L.A.M. die bessere Party als drinnen.
Irgendwann war das S.L.A.M dicht und Michael Alig im Knast, er hatte seinen Drogendealer umgebracht. Ich will die Zeit von damals nicht glorifizieren, ich weiß um die ganze Scheisse, die drumherum und mittendrin passiert ist. Ich weiß um die Drogen, die konsumiert wurden, ich weiß um die Poppersschwaden, die durch die Clubs zogen, ich weiß, ich weiß, ich weiß.
Warum ich das alles schreibe? Es hat mich geprägt.

Bilder: Michael Alig, Michael Lange

  • camp
    8. November 2010 at 12:42

    oh my god!!!das mit den corsagen war ich!!!!!!!!!!!!!

  • blomquist
    8. November 2010 at 14:41

    Ich mochte damals gerne den Mix aus aus alten 70ies T-Shirts (vom Flohmarkt) mit Holz-Clogs wahlweise zu einer alten Denim-Hotpants (aus dem Kleiderschrank meines Vaters) oder Old-School Adidas-Trainingshosen…

  • Horst
    8. November 2010 at 15:53

    @blomquist ein königreich für ein bild!

  • Christopher
    8. November 2010 at 18:33

    mehr davon!!!

  • Horst
    8. November 2010 at 20:27

    @Christopher mehr von den Veteranengeschichten? 😉

  • Horstson » Blog Archiv » Nike NSW Destroyer Jacket
    17. November 2010 at 11:34

    […] Boris Dlugosch! Der sorgte nämlich für die Musik, wie schon so oft in meinem Leben. Und die Jacke? Da bin ich ganz stolz, dass mir Matthias von Cream heute noch die Bilder dieser […]