Kunst

Eis am Stil

(Beachsicle 250; Betsy Enzensberger)

Sommerferien adé – Sechs Wochen Urlaub in Italien, Schweiz und Frankreich machen es schwer, den Anschlusszug Richtung Realität zu erwischen. Machen es besonders schwer, den Hamburger Alltag zurückzuerobern und dabei nicht nur an Strand, Badehose und Eisbomben zu denken. Ich kann das aus erster Nähe bezeugen, stecke gerade nämlich mittendrin in der Misere Urlaubsblues. Alles steht im Zeichen von Steuererklärung statt Sonnenschutzfaktor, das heimliche Motto lautet „daheim nacharbeiten“ und dementsprechend verblasst auch die tiefste Bräune im Schnelldurchlauf. Morgens ziehe ich die Decke über den Kopf und schlafe einfach weiter: Supermarkt vs. Sandstrand? Wem fällt es da noch schwer, eine Entscheidung gegen den Wecker zu fällen! Ehrlicherweise übertreibe ich an dieser Stelle etwas, Klagen auf hohem Niveau könnte man dieses Intro zurecht nennen. Um Jammerei und dem Urlaub-Hinterhersehnen soll es in diesem Artikel überhaupt nicht gehen, das wäre schlichtweg tragisch bzw. keine weitere Zeile wert. Vielmehr geht es heute um eine Empfehlung, eine waschechte Sommerverlängerungsrunde auf Kunstebene:

Der Collectors Room in Hamburg präsentiert mit „Taste the Sweet Life“ nämlich die erste deutsche Einzelausstellung von Betsy Enzensberger. Tadaa und Paukenschlag, das ist definitiv eine gute Nachricht für alle kulturinteressierten Sommer-Sonne-Sonnenschein-Sympathisanten! Ihr kennt Enzensberger noch nicht? Überhaupt nicht schlimm, spätestens nach der ersten Google-Recherche werden Euch ihre Arbeiten nicht mehr aus dem Kopf gehen – soviel sei von meiner Seite versprochen! Es geht nämlich um Eis, sehr viel Eis und wachgewordene Träume aus Kindheitstagen. Gezeigt wird kein matschiges Kugeleis mit durchweichtem Waffelhörnchen und fiesem Serviettenfilm, vielmehr geben bunte Farben und filigraner Stil den Ton an. Ästhetik trifft Vergänglichkeit, Zuckervariationen fließen von dannen. Das klingt im ersten Moment crazy und schwer nachvollziehbar, ist aber genau so der Fall. Enzensberger arbeitet von Los Angeles aus und hat sich auf das Erschaffen von Skulpturen spezialisiert, die sie bereits in Hong Kong, New York, London und Stockholm ausstellen konnte.

Gezeigt wird Eis, das habe ich bereits durchblicken lassen. Fließende Objekte aus Kunstharz, groß und unübersehbar. Ich würde sie ganz klar im Bereich „Gute Laune“ verbuchen und lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich schreibe: Im Collectors Room wird eine Ode an das süße Leben präsentiert. Von wegen zuckerfrei und Bloß-Nicht-Sündigen-Kasteiung, bei Enzensberger schreit es geradezu nach Versuchung aka candy heaven. Glitzer trifft Beerenfarbe, Flaggenstartschuss auf eklektische Nieten-Glasur – Ein lebensleicht-buntes Potpourri an Eindrücken made in Los Angeles. Da bekommt man sofort Lust in Richtung Kalifornien zu düsen, dem Hamburger Alltag einen Streich zu spielen und aus dem Flieger Tschau zu rufen. Ähnlich muss auch Andrea von Goetz und Schwanenfliess gedacht haben, als sie die Skulpturen der Künstlerin erstmals auf der Art Week Los Angeles entdeckte. Die langjährige Sammlerin und Kunstförderin fackelte nicht lange und organisiert nun Enzensbergers erste deutsche Einzelausstellung. So wie ich es verstanden habe, hat von Goetz und Schwanenfliess weitere vielversprechende amerikanische Talente im Gepäck, dranbleiben lohnt und gegebenenfalls ergibt sich für die Zukunft ja mal eine Gesprächsmöglichkeit mit der passionierten Kunst-Networkerin.

Ich bin gespannt, wie das Publikum die Arbeiten von Enzensberger annimmt und bin mir fast sicher, dass es sehr viel positives Feedback geben wird. Der Sommer neigt sich – trotz aktuellem Wetterhoch – dem Ende zu, die Ferien sind vorbei und vor uns liegt die dunkle Jahreszeit: Was passt da besser als eine erfrischend-farbenfrohe Aufmunterung auf dem hiesigen Kunstmarkt? Ich für meinen Teil merke immer mehr, wie sehr mich lebensbejahende Kunst-Erlebnisse (darf ich das als Laie mal so unbedacht festhalten) nach vorne bringen! Das Einbinden von Ästhetik, das filigrane Spiel und der Bruch von Gewohntem bzw. Alltäglichem. Vielleicht sind aber auch genau dieser unbewusste Wunsch nach Ablenkung und positive vibes ausschlaggebend für mein Interesse an der Ausstellung „Taste the Sweet Life“, Trübsal-Schlagen kann man schließlich mehr als genug: Vor allem in Angesicht der politischen Lage unserer Welt. Wie wäre es, wenn Trump und Konsorten lieber etwas mehr Eis am Stiel, statt Hochhäuser auf Grönland twittern würde? Definitiv ein kleiner Schritt in die richtige Richtung!

Anbei einmal ein Vorgeschmack zu der bevorstehenden Ausstellung, bei Rückfragen könnt ihr Euch jederzeit bei mir melden & Euch auf der Website von Andrea von Goetz und Schwanenfliess informieren.

Betsy Enzensberger „Taste the Sweet Life“
5. bis 19. September 2019
Collectors Room Hamburg
Maria-Louisen-Straße 9
92301 Hamburg