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Christian Dior Couture – Das Ass im Ärmel der Mode

Scheinbar wird der Rhythmus der Mode schneller: das Jahr ist fast vorbei und so mancher erinnert sich noch nicht einmal daran welche Kleider uns im Januar in Paris, Mailand oder New York gezeigt wurden. Es ist viel passiert in der Fashion-Branche, dass Personalkarussel hat sich gedreht, zahlreiche Firmen wurden von einem Konzern zum anderen verkauft, die Konsumenten von gestern in den Highend Bereichen der Mode haben sich in den letzten fünf Jahren um einen halben Erdball verschoben und eigentlich hat, was den Konsum von Luxusartikeln betrifft, auf der Erzeugerseite Europa deutlich zugelegt, beim Kauf derselben allerdings schon fast den Standard der Gewinner von heute in früheren Jahren erreicht.

Die meisten „Modelabel“ haben sich auf die Veränderungen eingestellt und so kommt unser Unverständnis gegenüber vieler Luxuskollektionen ganz klar dadurch, dass unser Geschmack gar nicht mehr getroffen werden muss, weil die Käufer aus ganz anderen Kulturkreisen kommen.
Dass dieses nicht so sein muss und überhaupt, dass auch noch in wechselhaften Zeiten Kollektionen Manifeste sein können, Sternstunden der Mode und dazu noch das Zeug haben, später als von nachhaltiger Gültigkeit gelten zu können, hat in diesem Jahr ein Mann bewiesen.
Raf Simons ist nicht nur der neue Creativ Direktor von Dior für das Prêt-à-Porter und die Haute Couture, sondern er ist auch der Stille und hochkulturelle Lehrer, der es uns in diesem Jahr gezeigt hat, dass man ohne großes Brimborium Weichen stellen kann.
Das Kunststück sich in ein Haus einzuarbeiten, deren Begründer schon vor der eigenen Geburt gestorben war, ist schon keine leichte Aufgabe. Prêt-à-Porter zu entwerfen – gut, werden die meisten sagen – hat er ja schon jahrelang für Jil Sander gemacht, ist schwierig. Sich in den Stil einer Frau einzufinden, die eher Konfektionärin war und das in einem Stil, der sicherlich Raf Simons während seiner Ausbildung und Anfangszeit als Jil Sander auf dem Zenith ihres Ruhmes war, eher vertraut und Leitbild war als damals Dior, ist schon keine leichte Aufgabe gewesen. Klarheit liegt ihm und gekonnter Purismus auch.
Aber Haute Couture und das in den Wurzeln und der Denke eines Mannes, der sein Unternehmen begründete, als die Welt sehnsüchtig sich nach Opulenz, Weiblichkeit und romantischen Roben sehnte, weil es fast zehn Jahre keinen Glamour auf der Erde gegeben hatte, weil Krieg, Vernichtung und Völkermord geherrscht hatten, zu schaffen, ist kein Husarenstück.
Außerdem ist Haute Couture eine Art Symbiose oder Geheimbund, der nicht einfach von einem Designer entworfen wird und dann gemacht wird. Vielmehr ist es das Zusammenspiel von Ateliers, Handwerkern den Zulieferern wie Stickern, Webern, Kürschnern, Hutmachern, Blumen- und Knopfherstellern etc. und natürlich dem Couturier.

Die Ateliers-Kleider, Blusen und Röcke müssen genauso ihren Anteil haben, wie die für Mäntel und Kostüme. Die Zusammensetzung und das Ritual einer Couture Kollektion gleicht einer Volkswirtschaft im kleinen und alles muss sein Gleichgewicht haben. Die Symbole, Stilelemente, Eigenschaften der Marke und der Sehnsucht der Trägerinnen haben sich genau für die Kleider des Hauses zu entscheiden. Bei Haute Couture geht es um Kleider, nicht um Accessoires die überall verkauft werden oder um Dinge, die in den Boutiquen von Dior verkauft werden und multiplizierbar sind.
Couture ist das Laboratorium des Hauses, in dem neue Stoffe, teure Handwerkstechniken, Stickereien und Perfektion verwendet werden können, weil der Preis keine Rolle spielt. Trotzdem müssen diese Kleider haargenau das Kleid sein, das die Kundin sich wünscht und das sie von Dior erwartet. Es soll auch noch ein Aushängeschild und Vorreiter für die Prêt-à-Porter sein und es soll auch noch Furore bei der Presse machen – das ganze auf weniger als sechzig Modelle beschränkt. Schon diese Anzahl verschlingt Unsummen an Entwicklungskosten und ist selbst für alte Hasen kein Pappenstil.

Raf Simons hat mit seiner Herbst/Winter Haute Couture eine Key-Collection geschaffen, die für mich der absolute Gewinner des Jahres ist und ein Lehrbuch-Beispiel, wie man sich perfekt in die Welt, die Tradition und die Zukunft Diors einarbeitet und genau die Version herausbringt, die man sich für das 21.Jahrhundert vorstellen könnte.
Ganz klar hat er sich bei den Vorbereitungen auf die zehn Jahre des Namensgebers des Hauses konzentriert und die Codes dechiffriert. Christian Dior war eine Art phantasievoller Architekt der Mode und das hat sicherlich Raf Simons sehr gefallen und ihn, der für sein fabulöses graphisches Auge bekannt ist, angespornt, die Codes in die Architektur des 21.Jahrhunderts zu übersetzten. Moderne „Pure Couture“ wird durch diese Kombination geboren.

Als Debut Kollektion muss man das Statement setzen, dass man das Haus verstanden hat aber auch seine eigene Handschrift zeigen will. Diese Symbiose ist ein gewagtes Vabanque Spiel, das ihm wiederum besonnen und gut gelungen ist. Raf Simons hat sicherlich in den Dior-Archiven und der Handschrift des Hauses ein ungeheures Potential zur Verfügung. Dank seiner Begabung wird er es geschickt nutzen, seinen eigene Handschrift langsam zu verstärken und mit den Potenzialen nicht nur weiter zu spielen, sondern sie auch weiter zu entwickeln.
Raf Simons gehört zweifellos zu den größten Ausnahme-Designern, der eines der größten Hoffnungen der Branche ist und dem man vieles Unmögliche durchaus zutraut. Mit Spannung erwartet man jetzt schon wie es weiter geht und wie er für Überraschungen sorgen wird. In diesem Jahr ist er für mich der innovativste Designer und Dior hat einen fulminanten Griff getan und kann sicherlich beruhigt in die Zukunft der Couture schauen. Denn keiner macht Couture aktueller denn je – Raf Simons für Christian Dior.

  • Katja
    26. Oktober 2012 at 13:53

    Schöner Artikel! 🙂

  • Monsieur_Didier
    26. Oktober 2012 at 18:20

    …Raf Simons war ein absoluter Glücksgriff für Dior…
    ob es ein Goldgriff geworden ist werden die zukünftigen Verkaufszahlen zeigen…
    ich bin gestern bei Jil Sander auf dem Ku-Damm vorbeigegangen und war wieder sehr berührt von seiner letzten Kollektion für dieses Haus…

    und freu mich auf alles weitere, was von ihm kommen wird…
    er ist, meiner Meinung nach, ein Künstler mit einer sehr sanften Seele…
    das konnte man auch wieder bei der fantastischen Doku sehen, die letzten Samstag auf Arte lief und wo er sprach…
    ein wahrer Künstler eben…
    ich mag ihn…

  • J.
    26. Oktober 2012 at 18:59

    Anfangs machte mir die Vorstellung „RAF-DIOR“ Angst und mir fehlte das Verspielte, die Volants, die theatralische Inszenierung. Mittlerweile liebe ich Dior mit Raf noch mehr als ich es unter Galliano gemacht habe. Well done, Mister Simons!

  • Monsieur_Didier
    26. Oktober 2012 at 19:06

    …stimmt, das war auch meine Befürchtung…
    John Galliano nicht mehr bei Dior…
    nahezu unvorstellbar…

    jetzt geht’s und sieht fantastisch aus…

    obwohl ich John Galliano fantastisch finde…
    und seine skurilen auftritte jeweils am Ende der Show waren legendär…

    ich bin sehr gespannt, wann und wo Wir ihn wieder sehen werden…
    er wird wiederkommen…
    da bin ich mir so sicher wie beim AMEN in der Kirche…

    AMEN…!

  • J.
    26. Oktober 2012 at 20:08

    Galliano hatte seine Zeit gehabt. Er ist ein begnadeter Designer, nur leider nicht tragbar. Wer war den Kundin bei Dior unter Galliano? Ich kenne keine.

  • Stephan Berlin
    27. Oktober 2012 at 13:41

    Ja, Galliano war Folies Bergère, Lido, Moulin Rouge etc…schon kreativ aber eher Bühne. Raf zu Dior fand ich endlich mal wieder eine gute Nachricht aus der LVMH Ecke!

  • Renate
    28. Oktober 2012 at 15:37

    Mittlerweile bin ich froh, Dior wirkt jetzt weniger theatralisch sondern modern. Als besonderes Beeindruckend empfand ich die bezaubernde Deko aus Millionen Blumen 😉