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Charlie Hebdo: TOUT EST PARDONNÉ

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Knapp eine Woche nach dem Anschlag auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ erscheint morgen die neue Ausgabe der französischen Satirezeitung mit einer Rekordauflage von drei Millionen Exemplaren in 16 Sprachen.
Allein dafür, dass die Redaktion in den Räumen der französischen Tageszeitung „Libération“ so schnell eine neue Ausgabe organisiert bekommen hat, gebührt „Charlie Hebdo“ allergrößten Respekt. Meinen Hut ziehe ich auch für das Titelblatt, für das der „Charlie Hebdo“-Karikaturist Luz eine Zeichnung des Propheten Mohammed angefertigt hat, der weinend ein „Je suis Charlie“-Schild in den Händen hält. Über der Zeichnung steht „TOUT EST PARDONNÉ „, was zu deutsch „Alles ist vergeben“ bedeutet.

„Charlie Hebdo“ zieht also einen klaren Strich zwischen der Religion und den Attentätern, die den Islam dafür missbrauchen, ihren Fanatismus zu legitimieren – eine Schlussfolgerung, die auf der Hand liegt, die aber nicht jeder zu verstehen scheint: Wäre das alles nicht so wahnsinnig traurig, könnte man es ‚Realsatire‘ nennen, dass letzte Woche noch besorgte Bürger „Lügenpresse* auf die Fresse“-skandierend auf der Straße in Dresden standen und einige Tage später dann die Pressefreiheit verteidigen wollen. Anhänger der „PEGIDA“-Bürgerbewegung instrumentalisierten gestern mit betrübten Blick im Gesicht und Trauerflor am Arm den Tod von Menschen und das obwohl eben dieses französische und frankofone Karikaturisten im Vorfeld stark kritisiert haben – ja habt ihr denn vor gar nichts mehr Respekt??

*Das Wort „Lügenpresse“ wurde heute übrigens zum Unwort des Jahres gekürt: „Lügenpresse war bereits im Ersten Weltkrieg ein zentraler Kampfbegriff und diente auch den Nationalsozialisten zur pauschalen Diffamierung unabhängiger Medien“, so die Begründung der „Unwort“-Jury. Heute auch noch.

  • Siegmar
    13. Januar 2015 at 12:07

    Danke für den Beitrag, die französischen Karikaturisten haben sich mit Vehemenz gegen die Vereinnahmung durch die “ Pegida “ gewehrt. Wer jetzt immer noch mitläuft ist kein “ besorgter Bürger “ sondern steht weit rechts und wer sich nicht distanziert von Rufen wie “ Asylantendreck verrecke “ muss sich gefallen lassen als Nazi bezeichnet zu werden.

  • Horst
    13. Januar 2015 at 13:10

    @Siegmar gerne. Ich bin da ziemlich schockiert, insbesondere über die Parteien, die da gleich mit ins Fahrwasser der PEGIDA springen. Am schlimmsten fand ich, dass einige Stunden nach dem Attentat die NPD ihr Profilbild gegen ein „Je suis Charlie“-Bild ausgetauscht haben. Wie heuchlerisch ist das?
    Befremdend aber auch die Berichterstattung über das Feuer bei der MOPO in HH, bei dem anfangs schon klar gewesen war, dass es auf jeden Fall einen Zusammenhang mit den Mohammed-Karikaturen, die das Blatt einen Tag nach dem Attentat veröffentlicht hat, geben muss. Eine Andere Option wurde schon gar nicht mehr in Betracht gezogen …

    „Besorgte Bürger“ (das wär‘ übrigens mein Favorit für das Unwort des Jahres gewesen) laufen da sicher noch mit, lassen sich dann gleichzeitig vor den Karren von Bachmann und Co. spannen. Das Herr Bachmann früher mal eine Nähe zur BILD-Zeitung gesucht hat, die ja nach der Argumentation der PEGIDA zur Lügenpresse dazugehört und das er paradoxer Weise selbst mal geflohen ist, nun aber gegen Flüchtlinge auf die Straße geht, spielt bei den Anhängern der PEGIDA anscheinend keine Rolle.

    Brisant auch die zahlreichen Facebookseiten, die sich zwar von ihren Namen und von ihrem Erscheinungsbild her auf die PEGIDA berufen, inhaltlich aber weit weit rechts außen stehen, siehe „Neugida“ etc.

  • Gerd
    13. Januar 2015 at 13:27

    Wenn´s hier um Politisches geht, verliert ihr, meiner Ansicht nach,doch manchmal den Blick für die Komplexität der Dinge.
    Gestern wurde in Dresden folgendes gesagt:
    „Die Medien überschütten uns momentan mit Anti-Pegida-Karrikaturen aber genau das empfinde ich als Vertrauensbeweis! Ja Ihr hört richtig, ich bin stolz darauf, denn sie tun dies nur, weil sie sicher sind, dass wir uns nicht auf eine barbarische Art wie die Täter von Paris rächen werden, sondern weil sie wissen, dass PEGIDA eine Bewegung von Menschen ist, die mit Satire umgehen können und sich auch mal selbst auf die Schippe nehmen ohne gleich zur Kalaschnikow zu greifen oder Brandsätze in Redaktionen zu werfen wie in Hamburg.“

  • Horst
    13. Januar 2015 at 13:37

    @Gerd Weiß Bachmann also wer und warum den Brandanschlag in HH verübt hat? Dann sollte er seine Infos an die Polizei weiterreichen und nicht große Reden schwingen. Waren es nicht Anhänger der PEGIDA, die „Lügenpresse auf die Fresse“ gepöbelt haben?

  • Siegmar
    13. Januar 2015 at 14:11

    Gerd

    ich habe hier in Berlin ganz andere Dinge gehört und auf Plakate gelesen. Ich bin auch der Meinung das Pegida nicht mit Satire umgehen kann und selbst Herr Lucke steuert zu kurzem zurück was Pegida betrifft und der unsägliche Gaulandt meinte, daß er sich nicht mit der Pegida an einen Tisch setzen würde. In dieser Bewegung “ Pegida “ sind zu viel Rechte dabei und die Menschen distanzieren sich nicht davon, das ist gefährlich. Die Themen haben auch kaum noch was mit der angeblichen Islamisierung zu tun, sondern man sieht Plakate von “ Amy go home“, „GEZ abschaffen “ und sogar “ ich informiere mich nur noch bei Russia today „.

    @ Horst
    bei Neugida habe ich ein Kommentar hinterlassen, mir wurde dann mitgeteilt “ das man mir erst auf die Fresse haut und anschließend ins KZ steckt “
    Jetzt bin ich gesperrt, weil ich Deutschland hasse, wurde mir mitgeteilt.

  • Tim
    13. Januar 2015 at 15:01

    Danke für den Beitrag. Ich kann einige Pegida Anhänger schon verstehen, sie haben Angst um ihre Zukunft, Rente etc. pp. Aber sie haben sich das falsche Forum für ihren Protest gesucht. Neulich sah ich eine Doku, wo jemand ein Anti GEZ Schild hochgehalten hat.

  • Gerd
    13. Januar 2015 at 18:08

    @ Horst und Siegmar
    Ich hatte nur auf die, für meinen Anspruch, fehlende Differenzierung aufmaerksam gemacht.
    Weder der Text, den ich zitiert habe, noch die
    6 Forderungen der Veranstaltung am Montag sind
    bisher irgendwo thematisiert worden.
    @ Horst
    Wieso sollte Bachmann was über den Anschlag wissen? Er sagte nur, das man sich über Pegida lustig machen kann, ohne befürchten zu müssen,
    das Pegida mit Kalaschnikow oder Molotowcocktail antwortet.

  • Siegmar
    14. Januar 2015 at 10:33

    @ Gerd

    die Pegida-Forderungen sind für ziemlich weichgespült, da in der Realität diese Forderungen für die Teilnehmer völlig unwichtig sind, viele von denen, sind eben rechts od. rechts aussen, viele machen sich einfach nur lächerlich, wie die Dame aus DD, die sagt “ ich hab mit der Kirche nichts zu tun und bin nicht gläubig, ich habe aber keine Lust Weihnachten in der Moschee zu feiern “ Das ist Realsatire und zum schreien, wenn es nicht so einen ernsten Hintergrund hätte. Wenn jemand wie in Berlin zu mir sagt “ ich lese keine öffentlichen Medien “ ich ihn frage was er lese und was öffentliche Medien sind, kam nichts mehr. Die französischen Zeichner haben sich gestern in einem Appell entschieden gegen die Vereinnahmung durch Pegida gewährt.