Allgemein

Chanel kauft La Pausa – Cocos glückliches Haus

Villa La Pausa
Bild: Chanel

Am 30. September kam eine Meldung aus dem Haus Chanel, die zunächst so wirkt, als hätte sie mit Mode gar nichts zu tun: Die Villa „La Pausa“ – in Roquebrune am Cap Martin an der Côte d‘ Azur gelegen – wurde von dem Unternehmen gekauft. Doch für Eingeweihte ist es ein Festtag …
Die Villa „La Pausa“ ist eines der Herzstücke des Lebens und der Legende um Coco Chanel und gleichzeitig der Ort, an dem sie vielleicht am glücklichsten war. Auf den Tag genau, nur im Jahre 1928, hatte sie ein Grundstück gekauft, das an dem Küstenstrich liegt, an dem die Grundessenzen für ihren schon damals berühmten Duft N°5 gewonnen wurden. Den Duft hatte Chanel 1921 gemeinsam mit Ernest Beaux aus der Taufe gehoben und sie wollte sich ein Refugium schaffen, das ganz ihren Vorstellungen entsprach. In ihrem Geschäft an der Rue Cambon in Paris gingen damals die vornehmsten Damen und Herren der Welt ein und aus und sie war mittlerweile „die“ Couturiere in Paris. Nach dem Chanel mit ihrer russischen Phase und der Kreation des Kleinen Schwarzen 1926 immer erfolgreicher wurde, kleideten sich die Damen vornehmlich bei ihr und Jean Patou ein. Chanel selbst wohnte in einem großzügigen Appartement an der Rue du Faubourg Saint-Honoré, das schon damals in dem mit schweren Coromandel Paravents und beigefarbenen Teppichen eingerichtet war, der ihren typischen Stil prägte. Empfohlen hatte ihr diesen Stil ihr Freund José Maria Sert, der zu den bedeutendsten Einrichtern des Art déco gehörte.
Gabrielle Chanel at La Pausa
Bild: Chanel

Chanel war arriviert. Bereits 1923 ist sie Hugh Richard Arthur Grosvenor, dem Herzog von Westminster begegnet, dem sie nicht nur die Tweedsakkos aus dem Schrank nahm, um sich dadurch zu ihren einfachen Kostümjacken inspirieren zu lassen, sondern auch zu den reichsten Männern Englands zählte. Der Hochadelige wurde Chanels Geliebter und veränderte ihren Lebensstil enorm.
Von jeher das Domizil des britischen Adels bildete die Côte d’Azur eine Art „Ideallandschaft, um im Winter bei mildem Klima das besondere Licht zu genießen …
Chanel wollte sich genau dort nach ihren eigenen Vorstellungen ein Refugium gestalten, das sie außerhalb der Kollektionszeiten nutzen konnte, um mit dem Herzog und ihren vielen Künstlerfreunden ein Leben zu genießen, das unprätentiös mit der Natur zusammenging und eigentlich auch ihrem bodenständigen Charakter entsprach. Nicht zuletzt aß Chanel gerne „Boudin“, die französische Blutwurst, und eigentlich war sie in ihrer Seele auch immer ein Landmädchen geblieben – zumindest zum Teil.
Um ihre Vision auf dem Grundstück zu verwirklichen, das einst der Fürstenfamilie von Monaco als Jagdgrundstück diente, brachte sie die Summe von damals stolzen 1,8 Millionen Franc auf. Sie engagierte den Architekten Robert Streitz, der ihre Version der „idealen mediterranen Villa“ verwirklichen sollte. Chanels Perfektionsdrang und Ansprüche waren hoch – genau so hoch, wie sie sich selbst bei der Arbeit abverlangte und für die sie berüchtigt war.
28 LA PAUSA_Mademoiselle Chanel 1930
Bild: Chanel

Schließlich und endlich wurde zwei Jahre später das wunderschöne Haus mit Hängen aus wilden Orangen und Pinien fertig. Für die sagenhafte Summe von 6 Millionen Franc – so wurde gemunkelt – wurde Chanel von Hugh Richard „ein wenig“ unterstützt. Zwar war Chanel schon damals wirtschaftlich unabhängig und hatte ab 1924 gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner Pierre Wertheimer die Grundlage dafür gelegt, dass ihr Unternehmen finanziell sicher aufgestellt war, aber sicherlich ließ es sich der Herzog nicht nehmen, ihr ein wenig Geld zu geben. Die Golddosen, die er Chanel schenkte, sind noch heute in ihrem Appartement aufbewahrt und der prächtige Schmuck diente Chanel als Vorbild für ihren Modeschmuck. Neben den beiden ging bald in dem Haus aus und ein, was zu der Zeit Rang und Namen hatte. Jean Cocteau kam vom nahe gelegenen Villefranche-sur-Mer herbei, Serge Lifar tanzte in der im maurischen Stil eingerichteten Halle oder unter den Arkaden, die das Haus zum Garten abgrenzen. Das berühmte Foto, auf dem Chanel im Pyjama im Bett liegt und Salvador Dalí ihr die Hand küsst, entstand hier ebenso. Dalí bat sie stets „seine Verrücktheit am Eingang abzugeben“ und sie verbrachten viele Sommerabende gemeinsam in „La Pausa“. Picasso, Winston Churchill, der Dichter Pierre Reverdy – die Liste der Besucher ist schier endlos.
28 LA PAUSA_Villa 1938_01
Bild: Chanel

Für ihre Sommerkollektionen ließ sich Chanel von den blühenden Iris und dem Lavendel ebenso inspirieren, wie von den unglaublich schönen Duftrosen. Das Blau des Meeres und das Braunbeige der Berge hinter der Küste – alles Dinge, die noch heute in den Codes von Chanel gegenwärtig sind.
Das Interieur wurde von ihr gemeinsam mit Stéphane Boudin von der Maison Jansen in Paris gestaltet, dazu mixte Chanel schwere englische Eichenmöbel aus dem 16.Jahrhundert, die der Herzog mitbrachte und kombinierte dazu eiserne Lüstern aus Spanien. Chanel hatte einen Stil kreiert, der gleich in den Gazetten erschien und imitiert wurde.
Nachdem die Liaison mit dem Herzog endete, verliebte sich Chanel in den Illustrator Paul Iribe. Es wurde eine Hochzeit geplant, doch kurz vor dem Fest brach Iribe mit einem Kreislaufkollaps auf dem Tennisplatz zusammen und starb.
28 LA PAUSA_Iris Pallida_04
Bild: Chanel

Kurz vor Chanels Comeback, 1953, verkaufte sie das Haus durch Vermittlung Winston Churchills an Emery Reves, die berühmt für ihre großartige Impressionistensammlung mit Gemälden von Monet, Gauguin, Cézanne und van Gogh war. Sie behielt das Haus bis zu ihrem Tod 2007 und erhielt viele der Details und Ausstattungen von Mademoiselle und veränderte nur wenig. Die Zeit, in der das Haus im Besitz von Reges war, gilt als eine zweite Blütezeit des Anwesens: Churchill arbeitete hier an seinen Memoiren, die Garbo machte Urlaub und Noël Coward schrieb hier viele seiner Theaterstücke.
Nach Reves Tod wurde das Haus geschlossen, um jetzt unter Chanels Ägide zu einem Teil der Heritage zu werden, die kein Haus besser bis heute bewahrt hat als das Unternehmen. Sicherlich wird man es der Öffentlichkeit zugänglich machen oder es vielleicht auch mal für Veranstaltungen oder sogar Präsentationen nutzen.
PA2006_0057
Bild: Chanel

Als Kulturgut und Teil der Historie von Chanel spielt „La Pausa“ eine große Rolle. Schon 2007 schuf Jacques Polge genau aus den Ingredienzien, die Chanel auf ihrem Grundstück kultivierte und die den Charme der Provence ausmachen den Duft „La Pausa“. Er baut auf den Akkorden der Iriswurzel auf und es ist, als hätte man genau die Abende, die Chanel so liebte, in eine ihrer grafisch-klaren Flaschen gebannt.

Durch Chanel wird so nun auch verhindert, dass, wie viele andere historische Villen an der Côte d’Azur, das Anwesen an arabische oder russische Käufer geht, die meistens den Charakter und die Originalausstattung verändern und wenig Sinn für die Historie haben. Es bleibt als französisches Kulturgut in zweierlei Hinsicht erhalten: als „Monument Française“ und als ein Teil von Chanel. Und das ist sicherlich schon längst ein eigenes Kulturgut mit Weltruhm – genau wie die Rue Cambon …

  • Elke kempe
    2. Oktober 2015 at 08:48

    Ein toller Bericht, bin gespannt,was Chanel mit dem Haus vorhat !
    Wunderschöne Bilder. Danke Dir!!

  • Siegmar
    2. Oktober 2015 at 11:16

    Toller Bericht, ich wusste nicht das sie ein Haus an Côte d’Azur bessen hat.

  • Die Woche auf Horstson – KW 40/2015 | Horstson
    4. Oktober 2015 at 16:27

    […] Coco Chanels ehemalige Villa „La Pausa“ gekauft. Alle Einzelheiten präsentierte Peter am Donnerstag. 2) Julian war in Italien on Tour und besuchte die Ledermanufaktur von Montblanc in Florenz. Teil I […]