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Alexey Brodovitch

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Alexey Brodovitch, Harper’s Bazaar Cover Juni 1940; Bild: Harper’s Bazaar

Der Mann, der die Bewegung in die Mode brachte, war Alexey Brodovitch. Nicht nur allmächtige Chefredakteurinnen und sehr gute Redakteure sind von Nöten gewesen um Modemagazine wie Vogue oder Harper’s Bazaar berühmt und tonangebend zu machen, sondern auch die Art Direktoren und Style Editor waren ausschlaggebend.
Idealerweise hat man natürlich alles und dazu noch die besten Fotografen und Autoren. Als ich neulich ein Foto von Alexey Brodovitch sah, unter ihm ausgebreitet das Layout für eine Harper’s Bazaar Ausgabe von 1954, dachte ich das ich meinen Augen nicht traue: Jedes Layout ein Meisterwerk und die Fotos selbst sind längst hochbezahlte Klassiker von den besten Fotografen ihrer Zeit: Henri Cartier-Bresson, Richard Avedon, Irving Penn und Lilian Bassmann. Illustratoren wie Marcel Vertès und Christian Bérard umrandeten die Layouts oder steuerten gleich ganze Strecken bei.

Harper’s Bazaar Cover April (links) und Juli (rechts) 1956; Courtesy Harper’s Bazaar

Jede Doppelseite schien akribisch konstruiert zu sein und wirkte trotzdem so, als seien sie in Bewegung. Alles hatte eine umwerfende Dynamik und so gar nichts mit der Ästhetik der Modefotografie zu tun, die in den 30er Jahren eher statisch wirkte. Zudem gab es einen gewaltigen Unterschied zur Stilistik der Vogue, die sich die Eleganz und Extravaganz auf die Fahne geschrieben hatte. Die Harper’s Strecken wirkten sportlicher und moderner, strahlten sogar eine für die Zeit ungewöhnliche Lässigkeit aus. Natürlich nicht so wie heute, aber beide Medien unterschieden sich grundlegend.
Den Schlüssel zu dieser Ästhetik fand Alexey Brodovitch, der kongenial zu Carmel Snow und Diana Vreeland für den Auftritt und die grafische Gestaltung von Harper’s Bazaar 24 Jahre von 1934 bis 1958 tätig war. Er entwickelte nicht nur völlig neue Typografie und schnitt Fotos unkonventionell an, sondern sorgte auch dafür, dass junge, von ihm verpflichtete Fotografen einen total anderen Stil entwickelten.

Harper’s Bazaar Cover Oktober 1947 (links) und April (rechts) 1946; Courtesy Harper’s Bazaar

1898 in Russland geboren, arbeitete Brodovitch zunächst als Plakatmaler in Paris, nachdem er 1920 vor den Bolschewiki nach Frankreich emigriert war. In Russland hatte er Buchgestalter gelernt und in Paris wohnte er nun in einem kleinen Apartment in Montparnasse, lernte Chagall und Archipenko kennen, die ihm einen Job als Kulissenmaler bei den berühmten „Ballets Russes“ von Serge Diaghilev vermittelten. Von der Welt der Bewegung und dem radikalen Avantgardismus der Ballets Russes war er sofort begeistert und zeitlebens beeinflusste ihn diese Zeit rasant.

Harper’s Bazaar Layouts von Alexey Brodovitch

In Paris kamen alle Einflüsse der Moderne zusammen und Brodovitch lernte den Dadaismus kennen, den Surrealismus, die Einflüsse des Bauhauses aus Deutschland und den Konstruktivismus. Es war eine Zeit des radikalen Umbruchs und der totalen Neusicht von Ästhetik.
1934 engagierte ihn der Art Directors Club of America, um in New York im Rockefeller Center die dreizehnte Jahresausstellung des Art Directors Club zu machen. Dort entdeckte ihn die legendäre Carmel Snow, weil ihr der Gegensatz von Purismus und die Kontraste von Brodovitch in seinen Arbeiten so gefielen.
Brodovitch krempelte die Aufteilung und die Gestaltung des Heftes total um. Die Fotografen mussten die Models nicht mehr statisch ablichten, sondern die Mädchen mussten laufen und sich bewegen. Alles sollte aus der Bewegung kommen wie im Tanz. Auch die Typologie sollte sich bewegen – so erscheinen manche Textblöcke als seien sie direkt der Compagnie von Martha Graham im Ausdruckstanz entstiegen. Alles hat Rhythmus und Gegenbewegung. Er cuttete als erster aus Fotos und präsentierte Produkte auf weißem Untergrund – was heute als Freisteller bekannt ist. Er probierte alles das aus, was andere Fashion Magazine nicht wagten und bekam die volle Unterstützung nicht nur von Snow, sondern auch von seinem Verleger, dem Milliardär und Medienmogul Randolph Hearst.

Harper’s Bazaar Layouts von Alexey Brodovitch

Und noch eine absolute Novität brachte Brodovitch zum Bazaar. Seine europäischen Kontakte wurden für das Heft aktiviert. Jean Cocteau, A.M.Cassandre (hat das Saint Laurent Logo erfunden) Leonor Fini und Raoul Dufy begannen für das Heft zu arbeiten. Alle anderen Hefte zeigten die Outfits in Gänze. Brodovitch ließ die Fotografen nur Details ablichten. Ein Outfit wurde fünf Mal verdoppelt und gezeigt, um zu untermauern, wie richtungsweisend das Modell ist. Modemagazine sollten laut seiner Ansicht Orientierung bieten – und zwar auf allen künstlerischen Gebieten.
Er erfand sogar eine eigene Typografie, die ‚Albro‘, die er auch bei Harper’s einführte. Er schrieb sich auf die Fahne, dass der Leser einen Bogen zwischen der Realität und seiner eigenen Fantasie sehen sollte. Er war ein Radikalist und hat viel getan was heute noch gültig ist und Modezeitschriften unnachahmlich geprägt hat.

Harper’s Bazaar Layouts von Alexey Brodovitch

Später hatte er nicht mehr so ein Glück, Harper’s Bazaar zahlte ihm leider nur eine winzige Rente und seine finanzielle Situation war aufgrund seiner Kompromisslosigkeit nicht gut, da er sich oft mit Kunden überwarf. Nach dem Tod seiner Frau wurde er zunehmend depressiv und zog zusammen mit seinem Sohn Nikita zurück nach Frankreich, wo der Rest seiner Familie lebte.
Er starb verarmt in Le Thor in Südfrankreich 1971 – ein Jahr später wurde er in die Hall of Fame des Art Directors Club aufgenommen. Für mich ist Brodovitch heute noch so aktuell wie damals und vielleicht gibt es ja mal wieder bei einem Modemagazin einen Art Director, der so avantgardistisch ist – ich würde das Magazin sofort kaufen und sicherlich viele andere auch.

Aufmerksame Leser werden es bemerkt haben – diesen Artikel gab es schon mal. Der Artikel erklärt sehr gut, warum es Harper’s Bazaar zu Weltruhm gebracht hat und auch warum das Magazin einen so eigenständigen Stil entwickeln konnte, den es seit gestern auch wieder in Deutschland zu kaufen gibt …

  • Jeroen
    1. September 2013 at 21:42

    Einmal in hundert Jahren verändern sich Dinge so grundlegend wie mit Brodovitch. Wir müssen also noch etwas warten.

  • Siegmar
    2. September 2013 at 16:20

    ich habe mir die deutsche Ausgabe der Hapers Bazar “ gekauft und bin mehr als enttäuscht, eine Kombination aus Gala, Bunte, Freundin etc. nichts neues, nichts interessantes, einfach nur öde. Das wird kein Erfolg.

  • Daisydora
    3. September 2013 at 08:32

    Für Menschen, de sich wenig mit Grafik und Layout beschäftigen, mag das vielleicht nicht auf den ersten Blick ersichtlich sein, worin die tolle Qualität seiner Arbeiten liegt …. aber ich bin beeindruckt, wie viel Avantgarde 1940 möglich war … auch wenn „wir“ heute vermutlich einen ganz anderen Geschmack haben.

    @Siegmar

    Ich habe da schon ein paar „Magazin-Innovationen“ gefunden, die ich sehr gut finde … zum Beispiel, dass viele Produkte mitten im Text gezeigt werden dort wo sonst Weißraum vor sich hin gähnt. Und das Styling von Jay Massacret im Editorial IN FORM, zählt zu den besten der Saison. Das ist mal echt was neues, Weiß und Blau und Gold zu tragen, mit Sneakers von Adidas …. und das Kultur Essay KALORIEN KUNST finde ich auch sehr gut… Bin jedenfalls sehr gespannt, wie es weitergeht 🙂

  • Siegmar
    3. September 2013 at 10:25

    @ Daisydora

    ich werde nochmal genauer reinschauen, trotzdem bin ich der Meinung das hat keinen Bestand.

  • Daisydora
    3. September 2013 at 10:49

    @Siegmar

    Ich denke, dass es auf jeden Fall Relevanz hat, was Du sagst … also insoferne, bin ich auch noch nicht der Meinung, dass es der große Wurf ist. Aber ich fürchte, dass das, was wir „Modeverrückten“ uns von einem „neuen“ Hochglanzmagazin erwarten, möglicherweise auch nicht unbedingt mehrheitsfähig ist. Deutschland ist da ein sehr zäher Markt, im Vergleich mit Italien und Frankreich.

    Ich bin ja ein Fan der italienischen Vogue und den US Ausgaben von Harpers Bazaar und Vanity Fair, was auch mit der Fotografenauswahl zu tun hat. Viele deutsche Hochglanzmagazine beschäftigen Fotografen, die mir als Editorial-Fotografen leider nicht gut genug – weil zu langweilig – sind …