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Mouna Ayoub And The Ladies Who Lunch…

…das war einmal, dass die Haute Couture um ihre Existenz zittern musste, weil es nur noch die kolportierten hundert bis zweihundert Kunden weltweit gab.
Die Haute Couture hat sich längst aus ihrer Krise Ende der Neunzigerjahre berappelt. Zwar haben auch diesmal nur dreizehn Häuser ihre Ideen für den kommenden Winter während der Haute Couture Paris präsentiert, aber die Absatzzahlen geben in Summe wieder Anlass zu verhaltener Freude. Während rund um das Millenium noch zu befürchten stand, dieser elitäre Zweig der Damenmodeherstellung könnte einst gar nicht mehr finanzierbar sein, streben seit einigen Jahren immer mehr der neuen Kundinnen aus den ehemaligen Schwellenländern und superreiche Künstler aus dem Musikbusiness nach dem letzten echten Luxus in der Mode. Und der Einfluss, den der asiatische Markt auf die Entwürfe der Couturiers hat, ist auch unübersehbar.

Giorgio Armani hatte mit seiner jüngsten Kollektion ein Japanisches Kirschblütenfest im Winter, mitten in Paris gefeiert und damit klare Signale in Richtung der asiatischen Märkte gesendet. Aber naturgemäß wandelt sich das Bild der Sitzreihen in den Haute Couture Schauen nicht so dramatisch, dass die Ladies Who Lunch, deren Männer irgendwas mit Öl in Texas machen oder einen Anlageberater an der Wall Street haben, plötzlich von der Bildfläche verschwinden. Dafür sind die Milliarden der treuen Couture-Clientèle auch zu gut angelegt. Aber Indien, Asien, Südamerika, Russland und die arabischen Länder werden immer wichtiger und Europa verliert noch etwas weiter an Bedeutung, obwohl die superreichen Europäerinnen noch nie eine große Gruppe innerhalb der Couture-Zielmärkte bildeten. Irgendwie passt das auch nicht zum Selbstverständnis einer Susanne Klatten, es zweimal im Jahr in der Frontrow bei Chanel so richtig krachen zu lassen.

Weshalb ich sowas ausgerechnet auf einem Männermodeblog erzähle? Erstens haben wir mit Peter einen ausgewiesenen Kenner der Branche, der uns regelmäßig mit Innenansichten versorgt und mich fasziniert die Beharrlichkeit, mit der sich die letzten Couturiers und deren Ateliers mit Hilfe einer Handvoll Spezialisten, deren Handwerkskünste ohne Haute Couture aussterben und für immer verloren gehen werden, mit zartesten Kunstwerken erfolgreich gegen den Trend stemmen. Mode wird ja heute schon sehr stark von Marketingspezialisten generalstabsmäßig geplant und organisiert und die Designer arbeiten quasi in die Forecasts der Marketing- und Markengestalter hinein, die sich ihrerseits auch an den Massenmärkten orientieren müssen. Denn, Textiler wie H&M, Zara und andere versorgen jeweils so viele Verbraucher der westlichen Länder mit Mode, dass sich dadurch die Sicht auf Mode permanent wandelt und man danach trachten muss, die jungen Leute dann, wenn sie über das Budget verfügen, richtige Designerware an Stelle der abgekupferten Entwürfe kaufen zu können, auch wirklich mit den richtigen Teilen zum Umstieg auf Originale zu bewegen. Wobei ich langsam glaube, dass diese Einkäufe bei H&M und ganz bestimmten Marken und Onlineshops, durch das mantraartige Vorbeten auf Modeblogs so was Rituelles oder fast schon Religiöses im Sinne einer Anbetung des Dalai-Hennes-und-Mauritz, kann man viele Kunden sprichwörtlich nur noch operativ von ihrem Modegott und dessen skandinavischen oder wahlweise auch spanischen Stellvertretern trennen. Dass der gute Geschmack dadurch nicht gerade befördert wird, hatten wir hier schon in einigen Berichten und Diskussionen mit den Lesern feststellen können. Alle Kunden dieser Ketten rennen gleich rum; nur wenige sind darunter, die gekonnt kombinieren und die besten Stücke identifizieren können. Auch aus diesem Grund liebe ich die Idee hinter der Haute Couture. Man ringt einem Entwurf auch noch im letzten Fitzelchen hinter dem Komma das Allerbeste ab… auch wenn es nur die philosophische Strahlung ist, die der Massenmarkt davon abbekommt, wäre ohne die Couture alles in den Straßenbildern noch gleichförmiger.

Sollte die Couture endlich modernisiert werden?
Darüber wurde nach Peters Bericht über die Kollektion des Branchenprimus Chanel kontrovers diskutiert. Ich finde nein und kann das auch begründen: Unser persönlicher Geschmack kann und wird auch in Zukunft keine große Rolle in den Ateliers der Couturiers spielen. Wieso sollte man Kostüme herstellen, die ähnlich denen von Gucci sind, aber zehn bis zwanzigmal so viel kosten, für Leute, die ohnehin im besten Fall das Kostüm von Gucci kaufen können? Und ich verstehe Chanel und deren Sicht auf die aktuelle und künftige Clientèle sehr gut: Es ist etwas ganz anderes, für Frauen zu arbeiten, die in ihrem Kostüm einen ganz bestimmten, auch reichen Look verwirklicht sehen wollen, und dafür taugen die handgeklöppelten Borten und Tressen eines Chanel-Couture Kostüms allemal besser, als das Understatement verdeckter Knopfleisten am tollsten Kostüm, das Raf Simons ja doch nur für Working Girls kreiert.

Ich gönne es der orientalischen Prinzessin, die hinter Mouna Ayoub sitzt, genau das Prinzessinnenkleid in der Couture-Schau zu entdecken, das sich mit ihrer Fantasie von prachtvoller und kostbarer Mode deckt. Und mein Vertrauen in die absolut richtigen Entscheidungen von Karl Lagerfeld, um diesen umstrittenen Punkt aufzugreifen, ist grenzenlos. Der Grund: Dreizehn Häuser hatten Kollektionen mit einer Zahl von zehn bis neunundsechzig Outfits präsentiert. Insgesamt waren das rund vierhundertfünfzig Couture-Outfits. Dessen ungeachtet, ist der Couture-Markt leider kein Kuchen, der in möglichst gleich große Stücke zerteilt wird. Das bedeutet, dass Chanel als Marktführer einen Umsatz erzielt, der ein Mehrfaches dessen beträgt, das vom zweiterfolgreichsten Haus verkauft werden kann… Und da sind ganz schön viele der für so manchen unter uns viel zu braven Chanel-Kostüme drunter, die The Ladies Who Lunch einfach heiß und innig lieben…
Am Ende bleibt nur noch aufzulösen, was das für Teile sind, die wir euch hier gezeigt haben: Das wäre mein Couture-Einkauf für den kommenden Winter, unter der Voraussetzung, dass mich die Aufforderung… das macht dann bitte 760.000 Euro geradeaus Madame… nicht aus der Ruhe bringen könnte.

Protect Me From What I Want, meint Daisy frei nach Jenny Holzer…

Bilder: Gatsbyonline, www.style.com

  • siegmarberlin
    15. Juli 2011 at 16:40

    sehr gelungene Beschreibung der Haute Couture. Sicherlich für die meisten Frauen wird es ein Traum bleiben, so ein “ Kunstwerk “ zu besitzen, aber ich finde das die Haute Courture auf alle Fälle eine Existensberechtigung hat, u.a. um diese wertvollen Handwerke zu bewahren und zu zeigen, wie etwas vollendet aussieht.

  • peter kempe
    15. Juli 2011 at 18:48

    @daisydora
    na der bericht ist so gut erklärt daisy das wir ihn an jedes couture haus zur rechtfertigung raus schicken sollten fulminant und es trifft die wahrheit egnau auf den kopf.es sind 450 modelle die die welt nicht stören und die frauen die es sich leisten können voll auf zufrieden stellen.genau so wie du es erklärst funnktioniert die couture und wenn man diesen leitfaden bei der beobachtungd er szene beherzigt dann lebt man mit großem spaß an diesem metier.tausend dank udn zu deinem einkauf kann ich dich nur beglückwünschen!!das regenbogen kleid führst du aber mit mir aus und in dem schwarzen chanel trinkst du mit mir champagner im ritz!!vive la phantasie!!!und genau das ist sie die phantasie in stoff umgesetzt man nennt es haute couture

  • muglerette
    15. Juli 2011 at 19:39

    bravo!!!!!!!

  • Daisydora
    15. Juli 2011 at 20:22

    @siegmarberlin

    Vielen Dank, siegmarberlin …
    Ich finde, man hat selbst bei einem Klied vom Schneider, in das man seine Vorstellungen hineinlegen kann, schon ein besonderes Gefühl, aber Couture ist und bleibt das Maximum an Entwurfs- und Schneiderkunst..

    @peter kempe

    Wie aufmerksam von dir, lieber Peter, dankeschön .. da lese ich gerade euer fabelhaftes Interview in der Quality und bin ganz begeistert von deiner Exertise und dann verteilst du solches Lob an mich … wenn ich Multimillionärin wäre, würde ich definitiv Couture tragen … gerne, an den von dir vorgeschlagenen Orten, mit dir …

    @muglerette

    Ich danke dir, Lob vom Fachmann spornt an…..

    🙂

  • petra fischer
    15. Juli 2011 at 21:36

    du bringst es wie immer genau auf den punkt mein lieber peter