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Enrichez Vous! – Milliarden suchen Marken

Sollte Mr. LVMH, der hoch ehrenwerte Monsieur Bernard Arnault, das wirklich so gesagt haben, und vermutlich ist das so, dann hat er sich entweder kurzfristig vom Boden unter seinen Füßen entfernt, um „über Wasser zu gehen“, oder aber, er hat bloß seine exzellente Kinderstube für einen Moment vergessen: „Seit wann können Sattler und Kutscher bestimmen, wer Herr im Hause ist?“
Die Autoren der Reportage „Das Prinzip Bonaparte“ (Handelsblatt Wochenende, 2., 3. und 4. August) die über die Kräfte- und Machtverhältnisse sowie die Begehrlichkeiten der boomenden Luxusbranche berichten, die Frankreich mit seinen Luxus-Konzernen LVMH und Kering und Hermès plus weiteren „noch“ unabhängigen Marken dominiert, wissen jedenfalls, dass Bernard Arnault den „Sattlern“ von Hermès eben dies bestellte.
Aber dieses Geplänkel ist nur Medienrauschen, der Kampf um das beste Filetstück der Luxusbranche, Hermès, wird auf vielen Ebenen vorangetrieben; mit dem Kalkül, dass einige der Erben den Milliarden schweren Argumenten Arnaults eines Tages doch nicht mehr widerstehen.

Um auch als Nicht-Insider zu verstehen, warum Monsieur Arnault für den Kampf um Hermès selbst seinen tadellosen Ruf als Geschäftsmann – durch Anschleichen mittels raffinierter Finanzprodukte – aufs Spiel setzte, muss man nur wissen, dass der „Sattler“, wie auch die Pariser Hermès gerne nennen, 2012 „Umsatz und Gewin deutlich zweistellig gesteigert hat und eine Eigenkapitalrendite von 46 Prozent erwirtschaftete“. Keines der noch auf dem Markt „verfügbaren“ Luxusunternehmen ist auch nur annähernd so attraktiv, wie Hermès.

Da sind Kreativität, Schnelligkeit und Langmütigkeit gefragt, auch für Kering, den „Gegenspieler“ LVMH’s, dessen Eigentümer, Henri Francois Pinault, allerdings weniger negative Schlagzeilen macht. Zur Zeit, so die Autoren des Handelsblatts, stehen Ferragamo und Tod’s auf dem Zettel der Kontrahenten. Bei LVMH ist die Kasse dafür mit 2,2 Milliarden gefüllt, Kering hat 2,1 Milliarden Euro in der „Kriegskasse“.
Das mit der Kriegskasse kann man sogar wörtlich nehmen, denn laut einer Schätzung von Boston Consulting wird alleine „der Luxuskonsum der Chinesen zwischen 2012 und 2020 von 56 Mrd. Euro auf 125 Milliarden ansteigen. Davon wird nur zirka die Hälfte in China verkauft, dort gibt es heute schon fast 1000 Luxusläden, das sind doppelt so viele wie vor fünf Jahren (das nennt man dann wohl Wachstum), die andere Hälfte kaufen Chinesen mitten in Paris, dort, wo das Zentrum des weltweiten Luxuskosmos ist: Bei Louis Vuitton, Hermès, Dior und Chanel … und um die Ecke …
Frankreichs Marktanteil beträgt 30 Prozent; der Gesamtmarkt betrug 2012 inklusive Luxusautos, teure Weine und Champagner sowie Fünf- und Sechssterne-Hotels 740 Milliarden Euro. Die Produktsegmente und Marktanteile schöner Dinge: Accessoires, 27 Prozent, Kleidung, 26 Prozent, Uhren und Schmuck, 23 Prozent, Parfum und Kosmetik, 20 Prozent, Sonstiges, 2 Prozent und Porzellan, da gibt es für Meissen und Co. noch viel Luft nach oben, ebenfalls 2 Prozent.

Durch das Entstehen der Oberschichten und neuen Reichen in Arabien, Russland, in Teilen Lateinamerikas und in Asien, gekonnte Expansion, Marken-Diversifikation und -Akquisition, konnte LVMH seine Weltmarktführerschaft bei Luxusmarken zwischen 2002 und 2012 von 12,7 Milliarden Euro auf 28 Milliarden weiter ausbauen. Das ist fast dreimal so viel, wie Kering. Und weil man heute bei LVMH und Kering schon weiß, dass in den Boom-Staaten nicht nur die wirklich Reichen (mit über 150.000 Euro Jahreseinkommen) sich ihre Accessoires von Luxusmarken gönnen, sondern, auch der gehobene Mittelstand, der sich damit beweist, es geschafft zu haben, winkt da ein ungebremstes Wachstum, das von Europa nie mehr und von den USA auch nicht kommen kann und wird.

Wir hatten ja erst jüngst, als sich LVMH mit 2 Milliarden Euro, bei Loro Piana 80 Prozent der Firmenanteile sicherte („entspricht dem 27,4-Fachen des jüngsten Betriebsgewinns“) gefragt, ob man das gut finden sollte, dass es luxusaffine und marktkundige Luxus-Konglomerate wie LVMH und Kering gibt, die über das heute nötige Kleingeld für die Expansion in den neuen Märkten verfügen, oder, ob man das bedauern sollte, dass immer mehr dieser alten Traditionsunternehmen italienischer und anderer Herkunft, in den Luxuskonzernen „verschwinden“.

Um hier noch einmal die Zahlen zu bemühen: früher reichten den Luxusmarken wenige Boutiquen oder Maisons in New York, Paris, London und Mailand – heute muss man mit vielen Flagshipstores einfach überall vertreten sein, wo die Nouveau Riche zuhause sind. Das wären dann Moskau, Sankt Petersburg, Peking, Dubai, Shanghai, Kuala Lumpur, Mexiko-Stadt „und möglichst auch in Ulan-Bator und Ho-Chi-Minh-Stadt“. Das bedeutet viel zu viel Geld für Expansion, wenn man es nur mit Hilfe der Hausbanken aufbringen soll.
Genau das ist ja das beste Argument für LVMH und Kering! Als Bottega Veneta 2001 bei PPR (Kering) landete, lag der Umsatz bei 35 Millionen Euro. Zehn Jahre später (und, diese Bemerkung sei mir erlaubt, mit kundiger Hilfe des tollen Designers Tomas Maier!!!) beträgt der Umsatz 945 Millionen Euro. So wird heute am Luxusmarkt „gespielt“. Jedenfalls weder im Sandkasten noch im Luxusmarken-Kindergarten. Das gestehen sogar Skeptiker und Kritiker den Großen zu, dass sie neben den finanziellen Mitteln, die dann ja auch so tollen Designern wie Raf Simons und Kollegen den Rücken für unendliche Kreativität frei halten, auch über das heute so wichtige Wissen über Märkte, Verbraucher und das Management verfügen, ohne das man einfach gnadenlos auf die Nase fällt, erst recht, bei solchen Summen, mit neun Nullen dran.

Was kann und sollte man da für ein Fazit oder besser gesagt Zwischenfazit ziehen? Zum Einen glaube ich dran, dass Patrick Thomas recht damit hat, dass Hermès seine Ziele auch weiterhin erreicht, auch ohne von Monsieur Arnault höchstpersönlich an der Hand geführt zu werden … was ich aber ganz ausdrücklich nicht sarkastisch meine, da auch in Zukunft viele der Traditionsmarken wahrscheinlich glücklich damit werden, unter dem schützenden Dach von LVMH und Kering (da lernt man dann vielleicht auch die süße Salma Hayek kennen) solide aber mit den nötigen Mitteln für die weltweite Expansion ausgestattet ihre tollen Marken pflegen und deren guten Ruf mehren zu können …
Oder weint irgendwer von euch bittere Tränen, weil Dior, Bulgari, Celine, Chaumet, Edun, De Beers, Fendi, Givenchy, Loro Piana, Kenzo, Donna Karan und so weiter zu LVMH und Gucci, Alexander MCQueen, Saint Laurent, Balenciaga, Brioni, Boucheron, die anständige deutsche Marke Puma, Bottega Veneta, Stella McCartney und Sergio Rossi zu Kering gehören (die Liste ist in beiden Fällen unvollständig)?
Dort wird doch nach wie vor modische Weltgeschichte geschrieben!
Aber ganz klar auch bei den „Unabhängigen“, die von mir aus noch hunderte Jahre ohne fremdes Geld prosperieren sollen: allen voran Chanel, Hermès, Burberry, Armani, Lanvin, Dolce & Gabbana, Versace, Tod’s, Ermenegildo Zegna, Roberto Cavalli …
Was soll’s, alleine mit Chanel No.5 machen die Wertheimers jedes Jahr einen Gewinn von 100 Millionen Dollar. Da können sich unsere Sorgen um die Kassenstände von derlei gut aufgestellten Luxus-Unternehmen weiterhin in Grenzen halten.
Und über die Malaise des Investments von Monsieur Arnault in Hermès entscheidet dann ohnehin die AMF, das ist die Pariser Finanzmarktaufsicht, die LVMH in erster Instanz zu einem Bußgeld von 8 Mill. Euro für das Anschleichen an seinen Mitbewerber verurteilt hat. Nach Entscheidung über die Berufung wissen wir auch darüber mehr.
Den weltweiten Siegeszug von Luxusmarken und Luxus-Konzernen aus Frankreich und die Erfolgsgeschichten der Gründer und erfolgsgewohnten „Machtmenschen“ dahinter, wird aber keine Finanzaufsicht der Welt verhindern. Der Luxus ist und bleibt französisch!

Anmerkung: Es lohnt, sich das Handelsblatt zu besorgen, oder sich den Download für 99 Cent zu gönnen, das Thema wurde auf elf Seiten abgehandelt. Besten Dank an die Autoren T. Hanke, K. Kort und T. Kuchenbecker, ohne deren Zahlen und Erkenntnisse dieser Bericht nicht entstanden wäre. Ich bin jetzt Abonnent!
Nachtrag: Alle Zahlen im Bericht verstehen sich übrigens nicht bereinigt um die darin enthaltenen Preissteigerungen, die bei den Luxusmarken alleine in diesem Jahr zwischen neun und zwanzig Prozent betragen. Und mit Spannung erwartet, die Halbjahreszahlen 2013 für Hermès, die Ende August verlautet werden.

  • peter
    13. August 2013 at 15:44

    Wunderbarer Hintergrund Bericht der genau das erklärt und auf den Punkt bringt was läuft!!Tausend Dank dafür!!Die musik des Konsums spielt woanders aber die Kultur und das Begehrliche kommt ja glücklicherweise aus europa und sichert hier die Arbeitsplätze

  • vk
    13. August 2013 at 17:02

    sein respekt fuer creativity und craftsmeanship ist legendaer. so gnadenlos und visionaer im ’schoenen‘ die wirtschaftskraft zu erkennen, und beides in ein wunderbar dialektisches konstrukt zu setzen, das profit schafft weil es freiraeume setzt… das ist ne feine lebensleistung. eine leistung von kulturhistorischer dimension.
    hoechst virtuoser ueberzeugungstaeter. aber sicher kein dumpfer gierschlund. – das prinzip arnault ist viel interessanter als die zahlen dahinter. – und wahrscheinlich genau nur deshalb sind auch die zahlen so nett anzusehen.

  • Daisydora
    13. August 2013 at 18:47

    @Peter

    Merci … 🙂 ja, das mit den Arbeitsplätzen stimmt, wozu ich aus Neugier auch mal gerne Zahlen hätte …

    @vk

    Ist er, auf seine Art … vor allem hat er die Diversifikation, durch die LVMH von den Marktschwankungen nicht so getroffen werden kann, ebenso klug vorangetrieben, wie die Akquisition und Wertsicherung der richtigen Marken … :-)… LVMH ist ein toller Laden!

    Ein dumpfer Gierschlund, du liebes bisschen, hast Du das etwa hier herausgelesen. Ich bewundere Arnault aber man muss auch mal kritische Töne anschlagen dürfen, wenn etwas nicht sauber gelaufen ist, oder? Mach dir bitte keine Sorgen, von der Freizeit, die ich auf Horstson schon in Arbeit an seinen oder Berichte für seine Marken gesteckt habe, könnte ich zeitlich schon Urlaub machen … und ich bin hier weisgott nicht die Einzige, die ehrenamtlich für Arnault „arbeitet“ …

    Danke für die Links, ich kannte nur den in der HBR, schön, dass ich nun ganz offiziell weiß, wer so was noch außer mir liest 😉

  • vk
    13. August 2013 at 20:01

    anytime DD.

    ein nachbar hat mal fuer arnault eines seiner fashionhaeuser geleitet. mit der zeit wurde er immer duennhaeutiger. – „unglaublich wie wir behandelt werden! – keinen respekt vorm management! – seine lieblinge sind die kreativen. – und uns sagt er immer: mach deine sache bloss gut! vor der tuer warten 1000 MBAs, die dich sofort ersetzen koennen…“

    die erzaehlung hat mich damals sehr beeindruckt: manager als massenware, designer als kulturschaetze… – seitdem bin ich fan.

  • loewenherzblut
    14. August 2013 at 08:56

    Ein sehr knackiger Beitrag, liebe Daisy.

    Nur dass die Stadt an der Newa seit September 1991 wieder Sankt Petersburg heißt und nicht mehr den Namen des Genossen Wladimir Iljitsch Uljanow trägt, sei mir als kleine zusätzliche Anmwrkung gestattet.

  • Daisydora
    14. August 2013 at 09:27

    @vk

    Dazu ist der Laden glaube ich schon etwas zu groß, dass der Chef persönlich alle „Mitarbeiter“ pampert … ich bin auch Fan (der Marken) und bin gespannt was noch dazu kommt … 🙂

    @loewenherzblut

    Merci!

    🙂 Du hast ja so recht, natürlich St. Petersburg und nicht Leningrad, und das von mir, die ich doch einer der größten Ballett- und Eiskunstlauffans unter der Sonne bin 😉 ..danke für den „sachdienlichen“ Korrekturhinweis!

  • vk
    14. August 2013 at 11:26

    DD, na klar, nur dass der, der seinen handlungsraum hier so ungewohnt eingeschraenkt sah, nicht ‚irgendein mitarbeiter‘ war, sondern international erfahrener topmanager und CEO einer der grossen brands im LVMH portfolio. nur halt quereinsteiger und arnaults sicht auf die dinge hat fuer ihn nicht wirklich funktioniert.

  • vk
    14. August 2013 at 11:42

    er hatte, so schien es mir, nicht wirklich bock, fuer nen durchgeknallten designer mitte zwanzig einfach nur den buchhalter zu spielen.