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Alles Couture? – Shantungkostüme, Taftroben und andere kleine Modemissverständnisse

Vergesst Berlin und andere urbane Räume, denkt euch bitte kurz mitten aufs flache Land nach Bayreuth und Salzburg ….. dorthin, wo sich die sommerliche Festspielsaison austobt. Eigentlich hatte ich vor, die modehistorischen Zeitdokumente vom Schaulaufen am Grünen Hügel denen der Eröffnung der Salzburger Festspiele gegenüber zu stellen. Nachdem aber ohnehin jeder von euch schon über die Bilder diverser Festspielgäste schmunzeln konnte, wird das hier nur ein schlichter Appell:
Sehr verehrte Schneiderinnen und Coutureistas der Roben: Bitte, lasst das mit den hortensienrosa, roten, kornblumenblauen, grasgrünen, sonnenblumengelben, türkisfarbenen, fuchsienfarbenen, orangefarbenen, beigen und hellhimmelblauen Seidentaften und Shantungseiden. Man sollte meinen, ihr linst zur Inspiration automatisch in die Pariser Couture-Kollektionen rein und schaut bei Ex-Kollege Galliano vorbei – die Bilder der Almauftriebe vor den Premieren erzählen da leider anderes. Von der Couture könnte man lernen, dass Seidentaft nicht gleich Seidentaft ist; und, dass Seidentafte, so man sie verwendet, nur fachkundig vorbehandelt und in einigen – sehr eleganten – Farben funktionieren. Auf jeden Fall aber grandiose Schnitte und Silhouetten verlangen und tendenziell coutureesk-aufwändig verarbeitet werden sollten … am besten zu äußerst schmal und raffiniert geschnittenen Kostümen, zu Shiftkleidern und großmeisterlichen Abendkleidern der Größen 34 und 36, die dann auch noch bestickt oder anderweitig veredelt werden. Den Grund dafür kennt jeder Horstsonian: Das Material fließt nicht, bauscht sich auf und macht falsch verarbeitet, selbst aus Frauen mit Größe 38 Tonnen.

Elegante Damen, die das ohnehin nicht stört, brauchen hier nicht weiter zu lesen. Man kann, das nötige, sehr gut gepolsterte Selbstbewusstsein vorausgesetzt, fast alles öffentlich tragen. Wer sich allerdings für seinen Herzallerliebsten und andere Gäste schön machen und die Öffentlichkeit von seiner Stilsicherheit und sowas wie gutem Geschmack überzeugen will, braucht Hilfe und einen ehrlichen Spiegel oder eine andere Schneiderin.
Noch schwieriger ist es, wirklich elegante Festkleidung aus Shantungseiden zu fertigen. Das beginnt schon mit der Auswahl aus all den schimmernden Stoffballen. Da fliegt einfach viel zu viel Billgware in den Stoffläden rum, oder die Damen sparen am falschen Platz. Ein Meter einer guten, dicht gewebten Shantung-Wildseide kostet ab 200 Euro. Wer das nicht ausgeben will, sollte die Finger davon lassen und besser ein anderes Material nehmen. Am Geld scheitert es bei unseren Festspielgästen wohl kaum.
Wo das Problem sonst noch liegt, hat die Welt zwar nicht thematisiert, sie zeigt uns aber dankenswerterweise, dass Shantungkostüme in Hortensienrosa zu den sehr kniffeligen Aufgaben für Schneiderinnen zählen. Der Umstand, dass dieses Kostüm aller Festspielkostüme Jahr für Jahr wieder aufgetragen wird, sorgt zwar für Gewöhnung, nicht aber für Überzeugung oder Begeisterung bei mir. Das muss doch nicht sein, so gut, wie man sich heute schon helfen lassen kann, wenn man gutes Geld verdient. Wer jetzt sagt: Das geht ja noch, im Vergleich mit der zu kleinen und kurzen Fuchsienrosa Jacke, dem schlimmen Rückfall, den sie in Bayreuth trug, dem wiederspreche ich aber nicht.
Es gab aber auch Festspielgäste, die Seide offenbar lieben und es dennoch richtig machten: Die Damen Heyne und Bauknecht (links) sehen großartig, elegant und würdevoll aus in ihren Mitternachtsdunkenblauen Taft- und Seiden- mousseline-Roben. Wer so zierlich ist und die richtigen Modelle wählt, kann dann gerne auch in Taften schwelgen.
Allen Damen, die wie Elstern auf Glänzendes fliegen und seit Jahren nicht mehr in das Hochzeitskleid in Größe 36 passen, kann ich nur ans Herz legen, es besser mal mit einem der matten und fließenden Seidenstoffe zu versuchen. Man langt mit einem Seidenmousseline, -Voile, -Jersey, etc. in einer eleganten und zum Typ passenden Farbe in aller Regel nicht daneben. Das gilt auch als sachte Warnung vor diesen Festspiel-Negligées aus zu dünnen und hochglänzenden Seidensatins, einem Eleganz- und Stil-Missverständnis, das sich bei jüngeren Damen beharrlich hält. Ob mit oder ohne Spitzen, mit Spaghetti- oder breiteren Trägern, das sieht immer nach Unterkleid aus und so konnten nur Frauen wie die göttliche Sirene Sophia Loren in ihren Filmen rumlaufen. Wenn ihr also weder als kleine Schwester von Sophia Loren oder als eineiiger Zwilling Kate Hudsons durchgeht, lasst es besser.
Hier zum Beweis der total als Romantikschmonzette verkannte Servicefim Hollywoods für Schneiderinnen weltweit:

Aber im Grunde genommen sieht das Taftmissverständnis an der richtigen, illustren Dame, zumal auch noch elegant von Galerist, Thaddaeus Ropac, flankiert, gar nicht mehr so schräg aus, wie man an Fürstin Gloria von Thurn und Taxis merkt, oder?
Sagt ihr mir bitte, wie viel Taft und Seidenes für eure Augen genug sind, liebe Leser und Leserinnen.

  • Horst
    8. August 2011 at 14:25

    Manchmal erinnern die Roben der Damen in Bayreuth und Co an Weihnachtsgeschenkpapier in seiner schlimmsten Form

  • siegmarberlin
    8. August 2011 at 15:17

    da kann ich Horst nur Recht geben, schlimme Erscheinungen, ich finde aber auch das die Fürstin Gloria altbacken aussiehst.

  • muglerette
    8. August 2011 at 17:33

    tatjana taft trägt nichtmal diesen stoff!!!!!!

    shantungseide ist allerdings fast schlimmer

  • Daisydora
    9. August 2011 at 08:40

    @Horst

    Genau, viel Glanz muss dran sein …

    @siegmarberlin

    Ich finde die Fürstin auch nicht wirklich vorteilhaft in ihrem Taftmonster, wollte aber milde enden …

    @muglerette

    Und sie tut gut daran …..

    Shantung bringen sich die Leute in der Billigstversion von ihren Asienreisen mit und sparen im Stoffladen und bei der Schneiderin auf jedne Fall an der falschen Stelle ….

  • Marie
    9. August 2011 at 10:12

    Eigentlich ist es schon wieder erstaunlich mit wieviel Geld sich schlechter Geschmack erkaufen lässt; Balsam für meine Augen ist dagegen Gisele Bundchen in diesem Traum von blau…

  • itsallaboutchanel
    9. August 2011 at 10:13

    😀 ich mag das mittlere Bild von der Merkel

  • Jane
    9. August 2011 at 11:49

    ich hätte ja damals fast geheult, als ich das Kleid von Kate Hudson gesehen habe :/

  • Daisydora
    9. August 2011 at 16:28

    @Marie

    Dieses Kleid von Ralph Lauren ist schon elf Jahre alt und man sieht es immer noch gerne …. wenn das zu deinem Typ passt, dann lass dir das von einer tollen Modeschul-Absolventin oder Schneiderin nähen …. da gab es in derselben Saison so einen ganz dünnen Mantel in dieser Farbe drüber, beides umwerfend. Melde dich, wenn du die Fotos willst.

    @itsallaboutchanel

    Du bist ja milde gestimmt .. oder ist man einfach nur froh, wenn sie mal mesnchlich guckt?

    @Jane

    Ich mag das an ihr auch sehr, vor allem wegen dem Zitronengelb und dem schönen Schnitt… wer’s tragen kann …