Uhren

SIHH … Die Neuvorstellungen und Premieren / Teil 2

Grüezi, die Zweite: Nachdem ich in den letzten Tagen bereits ausschnitthaft über die SIHH in Genf berichtet hatte, werfe ich nun einen Blick auf die Neupräsentationen der einzelnen Traditionshäuser und Uhrenunternehmen. Informationen zu Neuerungen bzw. Marktanpassungsoptionen der Luxusmesse habe ich angerissen, Krisengründe der Branche zusammengefasst. Jetzt geht es schrittweise um Innovationen, fesselndes Storytelling und klar: Die ein oder andere Weltpremiere. Baume & Mercier, Montblanc und Roger Dubuis habe ich bereits unter die Lupe genommen (den Artikel gibt es hier zum Nachlesen), weiter geht’s mit Cartier, Lange & Söhne und Panerai. Ich liebäugele bereits mit der einen oder anderen Herrenuhr und habe meine Favoriten ausgemacht. Erst einmal versuche ich mich aber objektiv zu halten, anbei eine Fortsetzung mit Neuheiten und Premieren der genannten SIHH-Aussteller:

Cartier
Très élégant geht es bei Cartier zu: Der französische Schmuck- und Uhrenprofi präsentiert mitunter die Drive de Cartier Ultra-Flach und zeigt sich damit von seiner gewohnt zeitlosen Seite. Wie der Modellname schon verrät, handelt es sich bei der Uhr um ein besonders flaches Herrenschmuckstück. Mit einem Gehäuseformat von circa 38 x 39 Millimetern und gerade einmal 7 Millimetern Höhe setzen die verantwortlichen Uhrmacher auf einen dezenten Auftritt in Kissenform und lassen das Modell um 40% flacher als das Originalmodell erscheinen – sehr, sehr chic.

Kaum probegetragen fällt auf, dass diese Version aus der 2016 erstandenen Drive-De-Cartier-Kollektion (hier gibt es einen umfangreichen Beitrag von Peter zum Nachlesen) nicht nur unglaublich flach, sondern auch noch verschwindend leichtgewichtig im Tragekomfort ist: Circa 45 Gramm wiegt das Modell aus Weißgold. Die rotgoldene Variante mit braunem Alligatorenlederarmband soll sogar noch leichter sein, so lasse ich es mir zumindest sagen. Sie ist von einem Manufaktur-Uhrwerk angetrieben, wird unlimitiert im Handel verfügbar sein und liegt preislich bei circa 14.900 Euro. Ersteres kostet mitsamt halbmatten grauen Alligatorenlederarmband 16.000 Euro und ist auf 200 Stück limitiert.

Mein persönliches Highlight ist das Modell Drive de Cartier Mondphasen, es ist mit dem neuen Manufaktur-Uhrwerk 1904-LU MC ausgestattet und bietet eine Mondphasenanzeige bei 6 Uhr. Anhand dieser Komplikation werden die verschiedenen Phasen am Nachthimmel angezeigt. Neumond, zunehmender Mond, Vollmond und abnehmender Mond. Bei der Präsentation wird uns erklärt, dass dieses feine Präzisionsstück zu den „astronomischen“ Komplikationen zählt, sprich: nur alle 125 Jahre korrigiert werden muss. Ich habe mich subito in das schlichte Guilloche-Ziffernblatt verliebt und kann mich an dem schmucken Stück in Saphirglas kaum sattsehen. Das Modell wird in Rotgold und Edelstahl angeboten, preislich liegen sie bei 20.300 Euro (Rotgold) und günstigeren 7.500 Euro (Edelstahl).

Einen echten Knaller bietet zudem die Rotonde de Cartier Minutenrepetition Geheimnisvolles Doppeltourbillon Kaliber 9407 MC mit „Poinçon de Genève“, ein limitiertes Handaufzugmodell mit 45-mm-Titan-Gehäuse. Im Inneren des Modells arbeiten die hoch entwickel(s)ten Uhrwerke der Haute Horlogerie: Astroregulator, Astrotourbillon und Minutenrepetition. Gerade letzteres gehört zu den anspruchsvollsten Komplikationen der Uhrmacherkunst, vielleicht handelt es sich deshalb auch um eine limitierte Auflage von 50 Exemplaren. Als wäre das nicht Herausforderung genug, mussten es die Verantwortlichen zudem auch noch meistern, alle 448 Komponenten in das gerade einmal 11,15 mm flache Gehäuse unterzubringen. Ein besonders schönes Detail? Die perlierte Krone, besetzt mit einem Saphircabochon!

Dann wären da noch weitere ästhetische Ansprüche: Die durchbrochen gearbeitete Architektur des Mechanismus musste berücksichtigt werden, gerade im Kontrast der schwarzen Rhodinierungen, welche die Transparenz des Geheimnisvollen Doppeltourbillons offenbaren. Die Minutenrepetition kann auf Wunsch in Gang gesetzt werden! Das Schauspiel des Geheimnisvollen Doppeltourbillons, das sich außerhalb der Achse zwischen 9 und 10 Uhr vollzieht, wird durch die Darbietung der Minutenrepetition mit ihren sichtbaren Hämmerchen bei 6 Uhr abgerundet – dabei handelt es sich um eines der unverkennbaren Stilelemente der Haute Horlogerie aus dem Traditionshaus Cartier.

Lange & Söhne
Beschwingt von märchenhaften Haben-Wollen-Uhren aus dem Hause Cartier, mache ich mich auf den Weg zum nächsten Messefavoriten: Lange & Söhne. Schon ewig möchte ich eines der Modelle mein Eigen nennen, bislang fehlt nur noch das passende Budget. Statt neuester Modelle wird uns vor Ort erst einmal eine traurige Nachricht unterbreitet. Walter Lange, Urenkel des Firmengründers Ferdinand Adolph Lange und Wiederbegründer des Traditionshauses, ist am selben Tag im Alter von 92 Jahren verstorben. Die Stimmung ist bedrückt, viele der anwesenden Journalisten kannten den Branchenpionier persönlich und verbinden eine enge Beziehung zu ihm.

Während der Präsentation wird immer wieder deutlich, wie sehr Walter Lange unternehmensintern, aber auch -übergreifend, Innovationen vorangetrieben hat. Arnd Einhorn, Pressesprecher des Hauses, ist die tiefe Betroffenheit anzumerken, trotzdem stellt er professionell die neuen Modelle vor. Eine Auswahl: Als absolutes Highlight zeichnet sich der Tourbograph Perpetual „Pour le Mérite“ aus, er vereint fünf traditionelle Mechanismen in einer Uhr. So läuft der Antrieb über Kette und Schnecke, Tourbillon, Chronograph, Rattrapante-Funktion und ewigem Kalender. Er gibt bis zum Jahr 2100 alle Monatslängen richtig an und eignet sich nicht nur deswegen zum perfekten Erbstück in der Familie. Das Modell besteht aus 684 Komponenten, die mini-mini-detailreich unter dem Gehäuse in feinster Ordnung stehen. Das Platingehäuse misst 43-mm und erinnert im Design an die Taschenuhren des Gründervaters Ferdinand Adolph Lange – heritage as its best!

Die Uhr mit Handaufzugswerk ist auf gerade einmal 50 Exemplare limitiert. Potenzielle Interessenten unter uns? Stolze 480.000 Euro kostet die aufwändige Rarität! Zur gleichen Produktfamilie wie dieser hochkomplizierte Klassiker gehört auch das neue Modell 1815 Jahreskalender mit Handaufzugswerk, Zeigeranzeigen für Datum, Wochentag und Monat sowie einer Mondphasenanzeige. Mit einem Schlagwerk, das die Zeit in Zehn-Minuten-Intervallen akustisch anzeigt, macht die Zeitwerk Decimal Strike die Zeit auf neuartige Weise hörbar. Ihr Gehäuse besteht aus dem, exklusiv bei Lange verwendeten, Honiggold.

Panerai
Ciao, ciao, da bin ich mal gespannt! Von dem italienischen Uhrenunternehmen Panerai hatte ich immer nur zwischen Tür und Angel gehört: Mal von einem befreundeten Kollegen, dann in der Headline einer Pressemitteilung. Wirkliches Know-how habe ich mir jedoch nie aneignen können, von Hintergrundwissen keine Spur. Einzig, dass das 1860 als Uhrmacherwerkstatt gegründete Traditionshaus vor ein paar Jahren seine neue Manufaktur im Schweizer Pierre-à-Bot eröffnet hat, wusste ich einzuordnen. In den Hügeln von Neuchâtel gelegen, vereint das Gebäude alle hochspezialisierten Disziplinen der Hohen Uhrmacherkunst unter einem Dach. Hier trifft italienisches Design auf Schweizer Spitzentechnologie! Naja, mehr ist mir als bisheriger Uhrenlaie leider auch nicht bekannt.

Zum Glück habe ich heute etwas Zeit mitgebracht und lasse mir die Neuvorstellungen in aller Ruhe erklären. Los geht es heute mit der Panerai LAB-ID Luminor 1950 Carbotech, einem Modell der ganz besonderen Art. Besonders? Si, si! Hier prallen Innovation und Revolution, Vergangenheit und Zukunft aufeinander. Das schmucke Stück mit tiefschwarzem Zifferblatt aus Kohlenstoffnanoröhrchen-Beschichtung (Störungen durch Reflektion adé) verfügt über ein Uhrwerk, welches nicht geschmiert werden muss – ein echtes Novum mitsamt Herstellergarantie für 50 Jahre. Dann wäre da noch das Carbon. Bereits im Modellnamen verraten, spielt es bei der äußert hochwertig gearbeiteten Uhr eine wichtige Rolle. Chemieprofis sind mir an dieser Stelle überlegen, ich versuche dennoch mein Glück und wage mich an eine Beschreibung: Jede Menge Materialien entstehen auf Grundlage dieses chemischen Elements (okay, dass es im Periodensystem mit einem großen C verzeichnet ist, weiß sogar ich Schulniete).

Bei der Uhr ist es z.B. das Gehäuse, ein Verbundstoff aus Carbonfaser. Dann wäre da das Ziffernblatt mit Carbonnanoröhrchen und das Uhrwerk, welches dank mechanischer Eigenschaften von Carbonverbundwerkstoffen ohne Schmiere auskommt (Brücken, Federhäuser, Stoßsicherung, etc. benötigen keine flüssige Schmiere, sie sind aus Materialien mit Selbstschmierung hergestellt). In den Bänken links und rechts von mir fängt die versierte Journalistenschar an zu flüstern. Ich vernehme Staunen, so zeigt sich Panerai mit dieser Neuvorstellung very futuristic und lässt erahnen, wie viel Potenzial in der Zukunft der mechanischen Uhrmacherei liegt. Bei so einem aufwändigen gearbeiteten Uhrenstück verwundert es kaum, dass die Panerai LAB-ID auf 50 Exemplare limitiert ist. Kostenpunkt? 50.000 Euro! Falls ihr Interesse habt, könnte ich in Zukunft einen weiteren Beitrag über Panerai aufbereiten.

Zum Abschluss des zweiten Berichts noch ein paar Facts, die ich in den letzten Tagen auf der SIHH mitgenommen habe:

In der Schweiz ist die Uhrenindustrie ein unbestritten wichtiger Exportzweig, so weit, so bekannt. Sie steht auf drittem Rang des Landes, dicht gedrängt an Chemie und Maschinenbau. Das wusste ich in dieser Form beispielsweise nicht, Ihr?

Gefertigt wird vor allem in den Kantonen Neuenburg, Solothurn, Jura, Bern, Waadt und Genf.

Bereits in meinem Einführungstext zur SIHH hatte ich den Journalisten Samuel Jaberg zitiert, in einem Artikel auf swissinfo.ch fasst er die wichtigsten Informationen zusammen.

Immer besser kann ich verstehen, warum so viele Unternehmen und Händler in Aufruhr versetzt sind. Für viele Angestellte und Manufakturen bedeutet die Krise existenzielle Nöte. Denn: Es geht bei den wiederkehrenden Uhrenkrisen-Schlagzeilen in der Presse nicht nur um eine champagnerschlürfende Klientel, die auf dem Tresen ihre Kreditkarten sortiert, sondern auch und vor allem um den Fortbestand von Handwerk und jahrhundertealtem Wissen.

Ich hoffe, dass Euch auch der zweite Bericht über die Neuvorstellungen der SIHH gefallen hat! Für Rückfragen und Kritik bin ich wie gewohnt dankbar und freue mich über Eure Kommentare. Als Abschluss noch einmal der Hinweis: Ich arbeite mich gerade erst in die Materie ein, bei der Beschreibung der Uhren sei damit hoffentlich der ein oder andere Fauxpas entschuldigt. 😉

TEIL III folgt in ein paar Tagen!

  • PeterKempe
    6. Februar 2017 at 11:01

    Wowwwww – absoluter Liebling sind die Cartier Uhren! Super elegant und absolute Must-haves!

  • Georg
    6. Februar 2017 at 13:16

    Lange & Söhne oder Cartier. Panerai ist mir persönlich zu modern, bin da aber auch keine Zielgruppe mehr 😉

  • Siegmar
    6. Februar 2017 at 13:41

    Lange & Söhne wunderbar, Cartier erinnert zu sehr an Patek Phillipe Nautilus Mondphase. ( Bist du auf dem Stand von Patek gewesen, dass ist immer ein absolutes Highlight, immer noch die besten Uhrenmarke auf dieser Welt 🙂 )

  • Neuvorstellungen von Parmigiani Fleurier, Piaget und Girard-Perregaux | Horstson
    20. März 2017 at 10:20

    […] eintrudeln. Nichtsdestotrotz, hier geht es weiter mit meinen Eindrücken. Wie in Teil I und Teil II bereits angemerkt, geht es um jede Menge Innovationen, fesselndes storytelling und klar: die ein […]