Accessories Haute Joaillerie

Haute Joaillerie – Les Blés de Chanel

(Bild: Courtesy of Chanel)

Als 1947 Salvador Dalí eine naturalistisch, bis ins kleinste Detail ausgearbeitete Weizenähre auf seine schwarz grundierte Leinwand brachte, die so aussah, als wäre sie gerade von einem der unendlichen Felder geerntet worden, dachte er sofort an seine Freundin Gabrielle Chanel.
Die Frau, die schon seit Jahrzehnten für ihre Mode und für das Bild der befreiten Frau stand, war eine der wenigen, die das exzentrische Genie zu händeln wusste. Sie forderte ihn stets auf, wenn er Ferien in „La Pausa“, ihrer Villa in Roquebrune-Cap-Martin, im Süden Frankreichs machte, „seine Verrücktheit an der Garderobe abzugeben“. Ihn beeindruckte Chanel, die schon immer die Nähe von Künstlern gesucht hatte und deren Freiheit im Kopf als Inspiration in ihre Couture Kreationen umsetzte.
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Bild: Courtesy of Chanel

Das Glückssymbol des Weizens, das schon im alten Ägypten für Wohlstand und Reichtum stand und den Kreislauf der Jahreszeiten perfekt symbolisiert, reproduziert sich in jedem Jahr aufs Neue. Vom Korn, das in der Erde zunächst zu keimen beginnt, austreibt und die Ähren so lange trägt, um dann wieder zu dem zu werden, was sie am Anfang waren: Die Saat für die tausendfache Vervielfältigung ihres Ursprungs. Eine Devise, die Chanel gefiel und die sie zeitlebens begleitete und umgab.
Dalí beschloss, das Bild der Weizenähre seiner Freundin Gabrielle zu schenken – noch heute hängt es in ihrem unangetasteten Appartement in der Rue Cambon Nummer 31, dem Haus, von dem sie mehr als ein halbes Jahrhundert aus die Mode regierte. Nur zum Schlafen ging sie ins Ritz, das nur einen Steinwurf von ihrem Wirkungsort liegt.
Der Weizen hatte sie von ihrer Kindheit an geprägt. Das Gras wurde genau zu der Zeit geerntet, als sie in Saumur in Mittelfrankreich im August 1883 geboren wurde. Niemand hatte ihr damals die Karriere in die Wiege gelegt. Zeitlebens hat sie ihre Geschichte neu erfunden und verschönt, um die Armut, Einsamkeit und die Not ihrer Kindheit zu kaschieren.
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Bilder: Courtesy of Chanel

Gabrielle Chanel umgab sich stets mit Symbolen, die zu ihren Codes wurden und an denen sich ihr Stil wie an einem Sicherheitsfaden bildete: Die Kamelie, das Schwarz der Kleider der Nonnen, die sie im Waisenhaus in Aubazine betreuten und der Löwe, der für die Stärke ihres Tierkreiszeichens stand. Der Weizen durchzog ihr ganzes Leben und sie umgab sich mit etlichen Kunstschätzen in ihren wechselnden Suiten im Ritz und in ihrem Apartment, das sie wie eine Idealwelt ihrer Einstellung und ihres selbst verdienten Reichtums ausstattete. Es war ihre Bühne und die Tische wurden von Ährenbündeln gestützt und auf den Buchrücken ihrer Bücher in feinstem Gold punziert. Dalís Weizen hing so, dass sie ihn, wenn sie an ihrem Schreibtisch saß, genau im Blick hatte.
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Bilder: Courtesy of Chanel

Wenn Chanel ihren schottischen Tweedlieferanten Linton empfing, musste er wieder und wieder ihr geliebtes ikonisches Beige, dem Farbton der reifen Weizenähren, anpassen. Das Beige muss immer einen leichten Goldton enthalten, um den Teint strahlender erscheinen zu lassen. Die Farbe ist bis heute einer der Codes des Hauses und der Magie ihrer Person, die jeder Kreation, die mit den berühmten ineinandergreifenden C’s signiert ist. Ob Kleidungsstück, Parfum, eine Brosche oder ein Tuch – noch heute kauft man ein Teil des befreiten Geistes, der die Modeschöpferin unsterblich werden ließ und ihrem Stil die völlige Zeitlosigkeit verlieh.
Das Geheimnis ihrer Sprache und ihrer Symbole, die Orte wie das Ritz, die Rue Cambon oder der Place Vendôme sind noch heute die Leitlinien für die Kreationen der einzelnen Metiers des Hauses Chanel. Mode, Accessoires und der kostbare Schmuck des Hauses werden mit den Augen von heute, aber mit der Inspiration und den Werten der Gründerin entworfen.
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Bild: Courtesy of Chanel

Der Weizen als Ausgangspunkt und den Traum Chanels weiter zu träumen, um „den Frauen das zu geben, von dem sie nicht zu träumen wagen“, wie sie selbst einmal sagte, liegt den Entwürfen zu Grunde, die jetzt in der „Haute Joaillerie“ mit der Kollektion „Les Blés de Chanel“ in der „Chanel-Suite“ des frisch renovierten Hotel Ritz vorgestellt wurden.
Die 62 exzeptionellen Stücke folgen der Entstehung und Reise des Weizens vom zarten grünen Beginn des Keimes, bis zur fulminanten Reife der schweren goldgelben Ähren. Strahlende Edelsteine von feinster Güte und Halbedelsteine mit fulminanten Glanz wie Diamanten, Peridot, Bergkristall, gelbe Saphire, Perlen und Aquamarine, bilden die Grundlage für raffinierte Juwelierskunst und symbolisieren in den Farben den Weg von der Saat bis zur Ernte.
Wie die Pflanzen und Garben des Getreides umschmeicheln die Colliers, Ohrclips, Ringe, Schmuckuhren und Armbänder die Persönlichkeit ihrer Trägerinnen und offenbaren ihre Geheimnisse erst nach mehrmaligem Hinsehen. „Luxus ist Raffinement und das Gegenteil vom Gewöhnlichen“, wie Chanel einmal sagte.
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Bilder: Courtesy of Chanel

Bei Chanel steht immer der Entwurf im Vordergrund. Deshalb ist es doppelt schwer für die Handwerker, die richtigen Steine in der richtigen Güte und Farbe zu finden. Wie die Stecknadel im Heuhaufen zu suchen, müssen sie immer wieder versuchen, in die
Wachsmodelle die richtigen Steine einzupassen und zu einem Ganzen zu komponieren. Die Natur ist nicht duplizierbar und so vergehen häufig Monate und Jahre, um die passenden Steine, die die Solitäre oder die Mittelpunkte eines Ringes oder Colliers bilden, zu finden. Viele der Stücke bleiben Unikate.
Die Natur, deren Form jahrtausendelang gewachsen ist, liefert die Grundform durch Schliffe, die besonders selten sind und nur von wenigen Handwerkern in endlosen Arbeitsgängen ausgeführt werden können. Poetisch wirken die Armbänder und Colliers; stark und strahlend die Ringe und Ohrgehänge, die an die Kraft von Gabrielle Chanel erinnern.
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Bilder: Courtesy of Chanel

Die Tischuhr in der Form eines Weizenbündels, an dem eine zarte Uhr, gesäumt von Diamanten hängt und auf deren Bergkristallfuß wie bei einem byzantinischen Heiligtum, sich kleine goldene Spuren von herabgefallener Spreu zeigen, zeugt von der Vergänglichkeit und dem sich immer wiederholenden Kreislauf der Natur.
Sie hätte Gabrielle Chanel gefallen und ideal auf einer der Tische neben ihrem beigen Veloursleder Sofa gepasst. Neben den Golddosen des Herzogs von Westminster und den Trouvaillen, wie der kleinen Schäfergruppe in Cloisonné Technik, die ihr einst der Großfürst Dimitri geschenkt hatte, kann man sie sich gut vorstellen.
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Bilder: Courtesy of Chanel

Die Verbindung, die Chanel lebenslang mit den bedeutendsten Künstlern ihrer Zeit hatte, setzen nun auch die Erben fort. Sie verwandelten den Place Vendôme, während im ersten Stock des Ritz die Haute Joaillerie präsentiert wurde, zu einer Kunstinstallation aus Weizenähren.
Der französische Straßenkünstler Gad Weil hatte 2010 ein Projekt zum Thema „Nature Capitale“ lanciert und im Rahmen dieser Aktion auch schon die Champs-Elysées begrünt. Die Weizenfelder auf der Place Vendôme waren der dritte Teil seiner vergänglichen Kunstwerkreihe.

Die Ähren kehren zurück an den Ort, an dem alles begann und an dem Chanel das Licht der Welt erblickte – nach Saumur an der Loire. Als Donation wird die Installation dort den Sommer über in der Kornkammer Frankreichs gezeigt, während die Schmuckstücke in aller Welt von Frauen getragen werden.
Gabrielle Chanel ist das geworden, was sie sich nicht im kühnsten hätte ausmalen können: Sie ist eine Legende, die immer wieder neu erblüht – wie der Weizen in jedem Sommer …