Allgemein

Frittierte Butter X Bratkartoffeln – Eine kleine Bestandsaufnahme zum Bloggen in Deutschland

Bratkartoffeln / Garnitur

Ich war nach langer Pause gerade erst wieder frisch in Deutschland eingetroffen, da hatte mir Horst ein paar Schnurren erzählt, die er in der Zwischenzeit erlebte oder von PR-Leuten und Journalisten berichtet bekam. So kleine Geschichten rund um die Erwartungen deutscher Modeblogger an ihre Kooperationspartner bei PR-Agenturen und den Unternehmen, aber auch Momentaufnahmen, die Horst auf einer Pressereise in Paris buchstäblich vor die Füße gefallen sind.
Kurz zusammengefasst, beschreibe ich das am besten so: Wer überall Frontrow sitzen will, der kann nur First Class reisen, ansonsten wäre schon die Anreise zu beschwerlich. Die meisten Blogger sind ja nicht mehr die Jüngsten. Man weiß mitunter nicht, wie man mit Kollegen und Gastgebern gepflegten Smalltalk zum Thema hält, ist aber ganz sicher, dass sich die Modewelt rund um den eigenen Bauchnabel zu scharen hat. Modeblogger sind manchmal eben anders – jeder braucht heute ein besonderes Image und die Inszenierung gehört zum Programm!

Ein Blogsphäre-Thema wollte ich trotzdem erst mal nicht draus machen, dazu hatte ich selbst zu viele Monate nicht in Modeblogs gestöbert. Aber ich war in der jüngeren Vergangenheit Teil eines Teams, das sich mit Lesergewohnheiten und der Relevanz von Blogs beschäftigte, und so brannte mir dieser Inhalt doch ein wenig unter den Nägeln. Wie das bei Horstson so ist, gab Horst dann wieder einen Hinweis auf einen Artikel auf einem anderen Blog und hatte neue Anekdoten und nun versuche ich mich doch an einer kleinen Bestandsaufnahme.
BildblogDer_FreitagStefan_Niggemeier

„Was macht eigentlich …?“ wäre da meine erste Frage. Es scheint einer der großen Trends in der Modebloggerszene zu sein, nur noch alle paar Tage was zu schreiben. Wenn geht, auch das bitte schweißfrei. Ist das für Leser wirklich spannend, wenn alle drei Tage ein dürres Post erscheint, nicht selten mit der weltbewegenden Frage zur neuen Frisur, zu fünf Goldglitzernagellacken, einem Paar Schuhen aus dem Sale und ähnlichem. Hier wird nicht rumgeeiert, der Content ist mengenmäßig und inhaltlich um einiges dürftiger geworden 2012.

Daraus schließe ich, dass der Rubel, den PR-Agenturen und Unternehmen für Sponsored-Posts ausschütten, mittlerweile zu gut rollen dürfte. Denn, hier ist selbstverständlich nicht von exponierten Bloggern die Rede, die neben ihren Fulltimejobs bloggen und schon immer wenige aber gute Berichte gebracht haben. Solange keine verlässlichen Zahlen zu Lesern und deren Mischung und noch weniger zum Wirkungsgrad von Modeblogs existieren, wird von vielen Modebloggern weiter mit selbst gewürfelten Zahlen jongliert, mit Followern bei bloglovin‘ und twitter, mit facebook likes, etc. argumentiert. Ihr kennt das kleine Einmaleins der Branche; als Leser hat man das ja rasch raus, welche Intentionen Blogger an ihre Schreibtische treiben. Und so sicher wie das Amen im Gebet, werden ständig neue Tools als Helfer – wie zum Beispiel Blog Connect – generiert.

Dabei sind kaufmännische Interessen nicht per se abzulehnen. Ein sehr gut gemachter Modeblog oder ein Blogzine muss sich ab einem bestimmten Punkt die Frage stellen, ob es dem Blog nicht gut täte, wenn der oder die Schreiber sich mehr Zeit dafür nehmen könnten … wenn es mehr oder auch professionellere Autoren gäbe, und so weiter. Aber schlecht gemacht und gierig, vertreibt mit der Zeit die Leser aller Blogs. Das sollten sich ein paar unserer „Blogmarken-Gurus“ schnell hinter ihre Ohren schreiben. Dass viele der (Mode)blogs ohnehin hauptsächlich von (Mode)bloggern gelesen werden, hat erfrischender weise eine gerade mal zwanzigjährige Buchbloggerin erkannt.
Jennifer Jäger beschreibt in ihrem Artikel „What the blog?“, den sie als Abrechnung mit der Branche und den Kollegen verstanden wissen will, dass es in Deutschland keinen wirklich großen Blog gibt „Keine Adresse, die in der gesamten, zerbröstelten Blogger-Szene bekannt ist, welche sich aus Mode-, Bücher-, DIY- und Koch-Blogs zusammensetzt (um mal einige zu nennen) … „ und woran das aus ihrer Sicht liegt, einer Sicht, die ich an vielen Stellen teilen kann. Jede Szene hätte ihre eigenen Idole, aber wo, so fragt sie, sei denn der oder die Bloggerin, der oder die alle begeistern könne? Hmmm … da würde ich sogar so weit gehen, zu fragen, wer denn das Idol unter den Modebloggern sein sollte? Sagt ihr es mir – ich denke ernsthaft darüber nach, welchen netten Preis wir dafür ausloben könnten, um wirklich tolle Modeblogs genannt zu bekommen, in denen Leute schreiben, die das lieben und halbwegs können und wo auch sonst so einiges für den Leser stimmt.

Die Autorin hat sich für ihre Recherche über mehrere Wochen verteilt in den verschiedenen Blog-Szenen durchgefragt, hat sich in Foren, Chats und Facebook-Gruppen herum getrieben und dabei neben dem für sie fehlenden Blogidol rausgefunden:
Die Blogger-Szene ist leider total verfallen und verfolgt nicht mehr ihren eigentlichen Zweck.
Das finde ich fast schon weise, auf jeden Fall bringt es für mich auf den Punkt, dass viele Blogger aus dem Kalkül irgendeinen blöden Schmonzes in ihre Alibi-Posts schreiben, weil man schließlich irgendwas posten muss, damit ein paar Blogger-Leserkommentare kommen und bei den Geschäftspartnern der Eindruck entsteht, eine – selbstverständlich bezahlte – Zusammenarbeit lohnte sich.
Warum schreiben Blogger nicht mehr hauptsächlich für Leser? Für ganz normale Leser, die selbst keine Blogger sind. Die dann in Kommentaren Links zu ihren Blogs setzen und all den Kram. Seit wann ist das so? Dazu der O-Ton der Bloggerin Jäger: Doch es macht mich traurig, dass Blogger nur noch Blogger lesen und kaum mehr echte Leser erreicht werden. Damit meine ich Leser, die nichts mit der Blogger-Szene am Hut haben, die vielleicht nicht die Leserzahl des GFC-Gadgets steigern, aber dafür von dem Geschriebenen des Blogs beeindruckt sind. Wo seid ihr, Leser? Können unsere Blogger-Worte euch gar nicht mehr erreichen? Kreisen diese Satzstücke im Blogger-Universum ohne jemals jene zu erreichen, für die sie ursprünglich gedacht waren? Wir Blogger folgen uns gegenseitig, pushen damit unsere Zahlen und mit „Folgst Du mir, folge ich Dir“-Kommentaren steigern wir gleichzeitig die Klickzahlen der anderen Blogs – Andersherum funktioniert das natürlich ebenso.

Das gegenseitige Pushen von Zahlen, die Kassen zum klingeln bringen können, hat den Zweck des Schreibens verdrängt. Und am Ende fallen möglicherweise nicht nur die Leser weniger Promo-CashCows unter den Blogs raus. Die Branche gibt ein falsches Bild von sich, gute Blogger geraten immer mehr in die Minderheit und der gute Ruf, der auf der einen Seite flöten geht, konnte sich davor erst gar nicht seriös aufbauen, wie das bei Magazinen ist. Da können Blogger noch so gebetsmühlenartig beteuern, wie langsam und schlecht Magazine im Vergleich zu uns Mode-Hipstern sind.
Jeder Modejournalist bekommt fachlich und schreibtechnisch seine guten Bratkartoffeln hin, manche auch Frittierte Butter. Unter uns scheint mir da eher folgende Situation vor zu herrschen: Viel zu viele tüteln bei den prätentiösen Versuchen an Frittierter Butter rum, die immer misslingen, und haben noch nie ordentliche Bratkartoffeln online gestellt.
Cest_ClairetteNahtlosScreenshot_Der....

Was sollte geschehen?
Das weiß ich auch nicht genau. Man kann so viele Selbsternannte ja nicht mit einem Fingerschnippen schlau und kompetent machen und die Leidenschaft für das Schreiben für echte Leser per Fernbedienung aktivieren. Aber etwas fällt mir da schon ein: Liebe Partner, wie PR-Agenturen und Förderer der Modeblogs gerne genannt werden, dreht bitte sofort die Geldhähne für SchnullibloggerInnen und alle offensichtlichen PR-Blogs ab. Ladet lieber wieder gute Parfumerieverkäuferinnen nach Mailand oder Paris ein, das bringt auf Dauer mehr. Und, dann löst sich das Problem binnen Wochen oder Monaten ganz von selbst. Viele Leute, die heute ohne Leidenschaft vor sich hin schreiben, tun das doch nur der Zuwendungen wegen. Werden von Kollegen, die auch so arbeiten „supportet“, das ist manchmal echt skandalös. Was hat der Werbekunde von all den Leerklicks, die dabei entstehen, wenn bei acht von zehn Besuchen kein neuer Artikel zu finden ist?

Die an Modeblogs und Blogs im allgemeinen interessierten Leser „gehören“ allen Blogs und Onlinepublikationen. Davon hat zwar sicher jeder so seine Lieblingsblogs, aber es bildet sich wie bei Print auch ein Gesamteindruck von der Branche, der allen förderlich oder auch kontraproduktiv sein kann. Und so ganz ohne echte Leser dürfte es ja auf Dauer auch bei euch nicht gehen, liebe Kollegen. Also schwingt euch schnell zum Üben an exzellenten Bratkartoffeln in Muttis Resopalküche, dann kommt ihr irgendwann mit etwas mehr Fleiß und Ausdauer ganz automatisch mitten in’s Meurice.
Uns lesen auch ein paar Blogger, warum auch nicht. Aber in der Hauptsache schreiben wir für ganz normale Leser, denen wir auf diesem Wege für ihre Lesefreude, ihren Nonkonformismus und den unglaublich guten Geschmack, danken wollen! Die Frittierte Butter ist übrigens eine Anleihe bei „Das perfekte Dinner.“ Sans Commentaire!
Nur noch die gute Nachricht für Jennifer Jäger: Es gibt sie doch, würdige Vertreter der heterogenen Branche, gestandene Schreiber, die ihren Lesern was zu sagen haben. Mit nicht zusammengebastelten Leserzahlen, von denen der gemeine Modeblog wahrscheinlich nur träumen kann.

Bilder: Screenshots einiger meiner Lieblingsblogs C’est Clairette, Nahtlos, Der Freitag, Der Postillion, Stefan Niggemeier und Bildblog und dann noch das Header-Foto von g’scheiten Bratkartoffeln …

  • Micha
    7. Januar 2013 at 13:54

    Danke dafür
    Micha

  • babette
    7. Januar 2013 at 14:00

    danke für den beitrag, regt hoffentlich die branche zum denken an. bei den bloggern gehts nur noch um gefälligkeiten und die nächste einladung. verlogenes pack

  • blomquist
    7. Januar 2013 at 14:26

    Vielen Dank!

  • Daisydora
    7. Januar 2013 at 19:10

    @Alle

    Ich danke euch 🙂 … ab und zu muss es sein ….

  • Maike
    7. Januar 2013 at 21:35

    „Aber ich war in der jüngeren Vergangenheit Teil eines Teams, das sich mit Lesergewohnheiten und der Relevanz von Blogs beschäftigte“? gibt es da auch ein Ergebnis?

  • Daisydora
    8. Januar 2013 at 08:43

    @Maike

    Ja, das gibt es. Aber ich besitze nicht die Rechte daran und kann sie daher hier nicht veröffentlichen.

    Nur so viel sei gesagt, schon starkes Modeinteresse, mit der Intention, an Hintergrundwissen zu kommen, liegt nur bei einem kleinen Teil der Verbraucher vor und davon liest der kleinste Teil regelmäßig Modeblogs. 🙂

  • sabi
    8. Januar 2013 at 10:57

    Ich bin eine ganz normale Leserin, aber ich muss ehrlich sagen, dieser Artikel stellt für mich nocht nicht gerade die perfekte Bratkartoffeln da. Alles noch etwas roh und schwammig, noch nicht fertig gekocht.

  • Daisydora
    8. Januar 2013 at 12:10

    @Sabi

    Das ist einer von vielen Artikeln die ich zur Blogsphäre auf Horstson geschrieben habe. Ich nehme deine Kritik an, was genau fehlt dir oder ist der Bericht für dich einfach schlecht geschrieben? Wenn du im Ungefähren bleibst mit deiner Kritik, dann läuft sie leider ins Leere ….

  • Siegmar
    8. Januar 2013 at 18:17

    Deine Artikel über die Blogshäre entsprechen immer meinen Gedanken darüber. Jeder denkt “ sas stemme ich doch mit links und staube noch paar tolle Teile od. Einladungen an “ Auch da steckt viel Arbeit drin um so gut zu sein wie Horstson Am schlimmsten sind die, die der Meinung sind das sie wichtiger sind als das Ereignis und sich nur noch gegenseitig abfotografieren und das ins Netz stellen.

  • Daisydora
    8. Januar 2013 at 20:06

    @Siegmar

    Vielen Dank für deinen Zuspruch. Wir wissen aber, dass auch wir neue Impulse setzen müssen und nicht nur bei dem bleiben können, was mit unseren guten Lesern funktioniert …

    Ich finde die Selbstdarsteller auch schlimm, weil das so langweilig ist und wenig modischen Informationsgehalt oder Aussagekraft hat.

    Für mich sind im Moment die Blogger am schlimmsten, die auch noch so tun, als könnten sie andere Blogger dabei beraten, endlich Kohle zu machen … 🙂 Mit Schein zum Sein.

  • Stephan Berlin
    9. Januar 2013 at 09:18

    Daisydora, du hast gut lachen, bzw. zu kritisieren. Es ist ja, als wenn die FAZ über den Pusemuckel-Boten jammert.
    Du hast natürlich recht, wenn du sagst, daß es effektiver wäre, eine gute Parfumverkäuferin nach Paris zu schicken als den Pusemuckel-Boten…
    Anyway: gut, daß du wieder back on stage bist!

  • Daisydora
    9. Januar 2013 at 11:36

    @Stephsan Berlin

    Dankeschön …. natürlich habe ich es gut mit Horst und den Kollegen und diesen Lesern …. aber uns treibt an, dass wir naturgemäß auch immer besser werden und fleissig sein müssen, um uns auch in Zukunft die Aufmerksamkeit und den Zuspruch der Leser zu verdienen.

    Danke, ich bin gerne wieder hier bei euch! 🙂

  • Christian Gera
    10. Januar 2013 at 06:46

    Wirklich guter Artikel! Es ist schwierig sich heutzutage die Blogger-Perlen herauszupicken, weil alles bei den meisten nur ums „folgst Du mir-folg ich Dir“ geht.Eigentlich ein bodenloser Schwachsinn & ein Kindergeburtstag wenn man es so nimmt! Auch ich bedauere nach 2 Jahren Bloggen & dem verfassen von 1-3 Artikeln täglich(!) dass eher wenige richtig umfangreiche Kommentare kommen, die sich vor allem mit dem Artikel auseinandergesetzt haben. Und Verlinkungen aus Kommentaren bringen nach den neuesten Google-Updates nicht wirklich was um sich selbst zu pushen. Darum sollte es in erster Linie auch nie gehen- sondern immer um das Schreiben selbst & die Leidenschaft, die darin steckt. Ich habe die Hoffnung noch nicht verloren & pflege meinen Blog täglich weiter wie bisher. Vor allem auch die Zitate von Jennifer Jäger gefallen mir sehr in Deinem Artikel- es ist schön, dass es doch noch Blogger-Helden und Heldinnen da draussen gibt & diese sollten sich vernetzen und größeres zu erreichen. Genau das versuche ich mit dem Freizeitcafe. Liebe Grüsse aus Bochum, Christian

  • Daisydora
    10. Januar 2013 at 11:56

    @Christian Gera

    Vielen Dank. Ja, das ist es, schon wegen der individuellen Präferenzen …. aber es gibt natürlich auch kein Ranking, das allgemeine Qualität in Blogs abbildet. So wie es das bei Zeitungen gibt.

    Zur Sache: Man muss das alles nicht mitmachen. Tun wir zum Beispiel gar nicht und schreiben lieber dann über Blogs, wenn dort wirklich gut gearbeitet wird. Ansonsten verlässt man sich besser auf die Leser …. aber das weisst du ja. Ich schau auf deinem Blog vorbei ….

    Und liebe Grüße nach Bochum, Daisy

  • Chris
    28. Januar 2013 at 13:27

    Hallo Ihr lieben, ich habe Euch einmal hier zitiert: Zeit, dass sich was dreht: Der Fortschritt des deutschen Bloggens im Jahre 2013 in einer Bestandsaufnahme http://www.freizeitcafe.info/zeit-dass-sich-was-dreht-der-fortschritt-des-deutschen-bloggens-im-jahre-2013-in-einer-bestandsaufnahme/#more-10795